
Neustart für eine andere Agrarpolitik
Die Demonstrationen gegen Massentierhaltung und für eine Agrarwende finden seit 2011 jedes Jahr parallel zur Internationalen Grünen Woche (IGW) statt, der weltgrößten Messe der Agrar- und Ernährungswirtschaft. Sie werden getragen von einem breiten Bündnis aus Landwirt*innen, Umwelt-, Tierschutz- und Entwicklungsorganisationen sowie kritischen Bürger*innen. Gemeinsam mit dem Forum Fairer Handel, der GEPA sowie zahlreichen weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen gehört auch der Weltladen-Dachverband zu den Unterstützern.
Auch wenn die IGW in diesem Jahr wegen Corona abgesagt wurde, halten die Veranstalter an ihrem Protest gegen die derzeitige Agrarpolitik fest. Sie fordern die neue Bundesregierung auf, die Weichen der Agrar- und Ernährungspolitik neu zu stellen und an ökologischen und sozialen Kriterien auszurichten. Da Deutschland in diesem Jahr die G7-Präsidentschaft innehat, kommt der Politik der Bundesregierung eine zusätzliche Bedeutung zu.
Zu den zentralen Forderungen der Veranstalter gehören eine ökologischere Ausrichtung der Landwirtschaft, die Bekämpfung des Hungers in der Welt sowie eine gerechte Gestaltung des internationalen Handels. In die gleiche Richtung gehen die Forderungen, die das Forum Fairer Handel zum Aufbruch in eine sozial und ökologisch zukunftsfähige Wirtschaft an die neue Bundesregierung richtet. Anstelle des Profits soll das Gemeinwohl in den Mittelpunkt des Wirtschaftens rücken.
Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung enthält einige Aussagen, die diese Forderungen aufgreifen. So sollen ökologische und gerechte Produktionsweisen in globalen Lieferketten gefördert sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen für gemeinwohlorientiertes Wirtschaften verbessert werden. Die Bundesregierung will außerdem gegen unfaire Handelspraktiken vorgehen und prüfen, ob Dumpingpreise - also der Verkauf von Lebensmitteln unterhalb der Produktionskosten - unterbunden werden können. Diese Forderung werden die Weltläden zum Weltladentag Anfang Mai aufgreifen.
Hochwertige Lebensmittel, die umwelt- und klimaschonend produziert und zu fairen Bedingungen gehandelt wurden, bieten u.a. die bundesweit rund 900 Weltläden. Die Vermarktung ihrer Produkte über den Fairen Handel ermöglicht vielen tausend Produzent*innen im Globalen Süden ein nachhaltiges Wirtschaften sowie Investitionen in ihre Zukunft. Der Faire Handel unterstützt darüber hinaus die Weiterverarbeitung der Produkte in den Ursprungsländern, wodurch die Handelspartner vor Ort eine deutlich höhere Wertschöpfung erzielen.
Inwiefern die neue Bundesregierung tatsächlich einen fairen Neustart in der Agrar- und Ernährungswirtschaft wagt, werden die nächsten Jahre zeigen. Wichtig wird sein, mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen und einer starken Zivilgesellschaft den Forderungen nach einer zukunftsfähigen Landwirtschaft und nach gerechten Handelsbedingungen Nachdruck zu verleihen. So gesehen bleibt zu hoffen, dass die Wir-haben-es-satt-Demonstration tatsächlich stattfinden kann und möglichst viele Menschen teilnehmen. Denn: Essen ist politisch!