Delegieren
Gerade Führungskräfte neigen dazu, sich für alles zuständig und verantwortlich zu fühlen. Das vermittelt das Gefühl, selber alles in der Hand zu haben, wichtig und unentbehrlich zu sein. Es führt aber auch zu Überlastung. Letztlich verliert man zunehmend den Überblick, arbeitet nicht mehr gezielt, kann Wichtiges nicht mehr von Unwichtigem unterscheiden, man wird von den Umständen getrieben und fühlt sich zunehmend fremdbestimmt. Die Überlastung kann bis zum Burn-out führen. Darüber hinaus demotivieren Führungskräfte, die nichts aus der Hand geben und alles kontrollieren, ihre Mitarbeiter*innen.
Zur eigenen Entlastung und für das Engagement der Mitarbeiter*innen ist es sinnvoll, Aufgaben an andere zu übertragen, zu delegieren. Dem stehen jedoch häufig Vorbehalte entgegen.
Vorbehalte gegen Delegation
- Wieso soll ich eine Arbeit delegieren, wenn ich sie selber besser erledigen kann?
- Meine Mitarbeiter*innen verfügen nicht über die erforderliche Erfahrung. Ich will sie nicht überfordern.
- Ich traue meinen Mitarbeiter*innen nicht das Können und die Leistungsbereitschaft zu.
- Wenn ich es selber mache, geht es schneller und ich spare kostbare Zeit.
- Es könnte herauskommen, dass meine Mitarbeiter*innen es besser können als ich.
- Ich verliere den Überblick und habe nicht mehr alle Fäden in der Hand.
- Ich fühle mich gut, wenn ich über Überlastung klagen kann.
Delegieren wird oft unterlassen, da man nicht mit dem Ergebnis oder der Art wie andere die Aufgabe erfüllen, einverstanden ist. Unter Zeitdruck, Erfolgsdruck und Überlastung entsteht der Eindruck, keine Zeit zu haben, Aufgaben an andere zu übertragen, sie einzuführen und anzuleiten, da das zunächst erst mal Zeit in Anspruch nimmt.
Dennoch spricht alles dafür, kontinuierlich Aufgaben zu delegieren.
Delegation
- führt zu Entlastung;
- ermöglicht langfristigen Zeitgewinn;
- fördert Engagement und Zufriedenheit der Mitarbeiter*innen;
- nutzt das Potential der Mitarbeiter*innen;
- sichert bei Krankheit oder Ausscheiden, dass die Arbeit von anderen fortgeführt wird.
Richtig delegieren
- Mitarbeiter*innen direkt ansprechen
- Konsens herstellen über Ziele und Notwendigkeiten
- Übertragen von Aufgaben
- Zuweisung der notwendigen sachlichen, finanziellen, personellen Kompetenzen, Ressourcen und Entscheidungsbefugnissen
- Mitarbeiter*innen sind berechtigt und verpflichtet, selbständig zu planen, zu entscheiden, zu handeln
- Mitarbeiter*innen an der Lösungsfindung beteiligen
- Andere Lösungen zulassen
- Verantwortung für die Durchführung der Aufgabe übertragen
- Ergebniskontrolle – Rückkoppelung ins Ladenplenum
Mitarbeiter*innen direkt ansprechen
Im Weltladen wird häufig in die Runde gefragt: "Wer will das machen?" Von allgemeinen Appellen fühlt sich niemand angesprochen oder es melden sich die, die den Druck am wenigsten aushalten können, oder die, die immer alles übernehmen und es dann wegen Überlastung nicht schaffen. Um Mitarbeiter*innen für die Übernahme von Aufgaben zu gewinnen, sollten sie direkt angesprochen werden. Das kann mit einer Rückmeldung verbunden sein, warum man diese Person für geeignet hält oder ihr die Erfüllung der Aufgabe zutraut. Es können mehrere Mitarbeiter*innen angesprochen werden, um ein Team zusammenzustellen. Aber man kann auch den*die zuerst angesprochene*n Mitarbeiter*in bitten, sich weitere Mitstreiter*innen zu suchen. Das Team bestimmt dann selbst, wie die Arbeit organisiert wird.
Konsens über Ziele und Notwendigkeiten
Die mit der Aufgabe verbundenen Ziele werden gemeinsam geklärt. Was soll erreicht werden? Warum ist es sinnvoll? Nur wenn die, die die Aufgaben übernehmen sollen, mit dem Ziel einverstanden sind, werden sie sich dafür einsetzen. Dazu gehört auch die umfassende Information über die Hintergründe und was erreicht werden soll, damit die Mitarbeiter*innen sich ein Bild machen und Lösungen finden können.
Übertragen von Aufgaben
Es ist sinnvoll, einen ganzen Aufgabenbereich zu übertragen und nicht nur einzelne Tätigkeiten. Je komplexer die Aufgabe ist, desto mehr Gestaltungsmöglichkeiten beinhaltet sie. Die Aufgabe sollte herausfordern, aber nicht überfordernd sein. Der übertragene Aufgabenbereich sollte dauerhaft übergeben werden. Bei sporadischer Delegation z.B. nur wenn die Führungskraft verhindert ist, erlebt sich der*die Mitarbeiter*in als Lückenfüller*in und wird in seiner*ihrer Selbständigkeit und Initiative beeinträchtigt.
Zuweisung der notwendigen Kompetenzen, Ressourcen und Entscheidungsbefugnisse
Der*die Mitarbeiter*in oder die Arbeitsgruppe muss über das nötige Wissen und die Fähigkeiten verfügen oder sich diese durch Anleitung oder Weiterbildung aneignen. Sie brauchen die Arbeitsmittel, dazu gehört unter Umständen ein Etat. Die Marketing-, Dekorations-, Bildungsgruppe z.B. braucht ein Budget für ihre Maßnahmen, über das sie selbst verfügen kann, so dass sie nicht für jede Anschaffung jemanden fragen muss. Wie sie ihr Budget einsetzt, liegt in ihrer Entscheidungsbefugnis. Die Mitarbeiter*innen brauchen umfassende Informationen, um ihr Aufgabengebiet und seine Bedeutung für die gesamte Organisation überblicken zu können. Sie müssen evtl. auch Informationen aus anderen Arbeitsgruppen erhalten bzw. einholen.
Mitarbeiter*innen sind berechtigt und verpflichtet, selbständig zu planen, zu entscheiden, zu handeln
Dem*der Mitarbeiter*in sollte es selbst überlassen bleiben, den zum Erreichen seiner Ziele einzuschlagenden Weg zu bestimmen. Dies ist die wichtigste Voraussetzung für das Gelingen einer Delegation. Wer eine Aufgabe an jemand anderen überträgt, muss zulassen, dass er oder sie es anders macht als man selbst. Nicht nur die Art und Weise, sondern auch das Ergebnis können von den eigenen Vorstellungen abweichen. Das ist für Perfektionist*innen schwer auszuhalten. Für mehr Großzügigkeit mit sich und anderen hilft die 80/20 Regel. 80 % des Ergebnisses lassen sich oft mit 20 % des Einsatzes erreichen. Um die letzten 20 % für 100 % Perfektion zu erreichen, muss man 80 % der Energie aufwenden.
Wenn der Weg vorgeschrieben wird, gibt es für die Mitarbeiter*innen keinen Handlungs- oder Gestaltungsspielraum mehr. Ihre Kreativität ist nicht gefragt und sie werden eher demotiviert sein. Die Mitarbeiter*innen sollten an der Lösungsfindung beteiligt und andere Lösungen zugelassen werden. Dabei können durchaus bessere Lösungen herauskommen.
Zusätzlich zum Ziel der Aufgabe können gemeinsam mit der Arbeitsgruppe Mindestanforderungen festgelegt werden. So kann z.B. eine Vorgabe an die Schaufensterdekorationsgruppe sein, dass das Fenster alle zwei Wochen neu dekoriert wird und das Produkt des Monats auch im Schaufenster präsentiert wird.
Verantwortung für die Durchführung der Aufgabe übertragen
Zur vollständigen Delegation gehört es, die Verantwortung für den Prozess und die Erreichung des Ziels in die Hände der Mitarbeiter*innen zu legen. Deren Zuständigkeit und Verantwortung muss dann auch von allen respektiert werden. Im Weltladen ergibt sich häufig die Situation, dass alle Mitarbeiter*innen in alles reinreden oder eingreifen. Dies geschieht z.B. besonders häufig bei allen Fragen der Ladengestaltung und Warenpräsentation. Geschmacksfragen mit allen zu diskutieren ist schier unmöglich. Die Arbeitsgruppe, deren Aufgabe das ist, sollte die Entscheidungsbefugnis darüber haben und trägt die Verantwortung für das Ergebnis.
Die Verantwortungsübernahme durch die zuständigen Mitarbeiter*innen sollte nicht durch Rückübertragung unterlaufen werden. Das ist der Fall, wenn die Mitarbeiter*innen die Hauptamtlichen oder den Vorstand fragen, was oder wie sie etwas tun sollen oder welche Entscheidung sie treffen sollen. Dies wird manchmal von den Führungskräften befördert durch Angebote wie: "Du kannst mich jederzeit fragen.", "Wenn Du eine Entscheidung benötigst, komm zu mir.", "Bevor etwas falsch läuft, frag lieber erst mal mich.". Solche Botschaften signalisieren wenig Zutrauen in die Mitarbeiter*innen und verhindern Eigenverantwortung und -initiative.
Die Eigeninitiative der Mitarbeiter*innen kann gestärkt werden, indem man sie wieder an sie zurück gibt. Statt zu sagen, woher das fragliche Produkt kommt, darauf verweisen, wo die Information zu finden ist. Statt selber eine Entscheidung zu treffen, fragen, was die andere vorschlägt usw.
Ergebniskontrolle – Rückkoppelung ins Ladenplenum
Kontrolle wird häufig als Misstrauen erlebt. Je flacher eine Organisationsstruktur ist und je mehr Eigenverantwortung die Mitarbeiter*innen haben, desto wichtiger ist eine Unternehmenskultur des Vertrauens. Misstrauen zerstört die Motivation. Dennoch ist es wichtig, sich über die Erreichung von Zielen oder die Erledigung von Aufgaben zu verständigen. Das beinhaltet nicht nur die Dimension der Kontrolle, sondern auch die Erfolgsbilanz und die Fürsorge. An einem festgestellten Erfolg kann man sich gemeinsam freuen. Die Fürsorge bedeutet, zwischendurch zu fragen, wie weit etwas gediehen ist und ob die Mitarbeiter*innen Unterstützung brauchen, damit nicht erst am Ende festgestellt wird, was nicht klappt oder was fehlt. Es kann hilfreich sein, von vornherein Zwischenziele oder -termine zu vereinbaren. Eine Arbeitsgruppe sollte selber festlegen, welche Zwischenziele oder Wegmarken sie braucht. Bei einem komplexen Vorhaben, kann es sinnvoll sein, eine*n Projektverantwortliche*n zu benennen, um den Prozess zu steuern.
Mögliche Fragen können sein:
- "Wie geht es Euch mit der Arbeit?"
- "Kommt Ihr voran?"
- "Was habt Ihr bisher erreicht?"
- "Was braucht Ihr?"
Je nachdem, welche Organisationsstruktur sich der Weltladen gegeben hat, sollten Arbeitsergebnisse ins Ladenplenum, an den Vorstand oder die Geschäftsführung rückgekoppelt werden. Von dort kommt dann auch eine Rückmeldung. Eine Kultur der Fehlerfreundlichkeit und Toleranz für andere Wege und Lösungen sind Voraussetzungen für Eigeninitiative der Mitarbeiter*innen. Dies bedeutet keine Beliebigkeit. Der Maßstab ist das zuvor festgelegte Ziel.
Quelle
DEAB – Dachverband Entwicklungspolitik Baden-Württemberg e.V. (2010): QualiFair Aufbaukurs Weltladen. Qualifikation für Fach- und Führungskräfte im Fairen Handel. Modul “Personalführung im Weltladen” (Birgit Lieber), nach: Kratz, H.-J. (1999): Delegieren – aber wie?