Zwei Wege des Fairen Handels
Der Faire Handel ist in den letzten Jahren sehr stark gewachsen. Immer mehr Produzent*innen und Händler steigen in den Fairen Handel ein, wollen ihn ausbauen, davon profitieren und mit dem positiv besetzten, aber nicht gesetzlich geschützten Begriff "fair" werben. Auch die Zusammenarbeit zwischen den Fair-Handels-Organisationen in verschiedenen Ländern ist enger geworden. Dadurch wurde es immer wichtiger, gemeinsam und genau zu definieren, was Fairer Handel eigentlich ist, die Überprüfung der Kriterien sicher zu stellen und so die Glaubwürdigkeit des Fairen Handels zu bewahren. Die im September 2018 von den beiden größten Netzwerken des Fairen Handels – der World Fair Trade Organization (WFTO) und Fairtrade International – veröffentlichte Charta des Fairen Handels bekräftigt die gemeinsamen internationalen Grundsätze sowie die Vision des Fairen Handels.
Fairer Handel findet im Prinzip auf zwei Wegen statt – auch wenn es natürlich weit mehr Varianten im Detail gibt. Der eine ist der Weg der sogenannten "integrierten Lieferkette". Er führt von den Produzent*innen-Organisationen über die Fair-Handels-Organisationen und die Weltläden zu den Kund*innen. Der zweite Weg, die sogenannte "Produktzertifizierung", führt von Produzent*innen-Organisationen über konventionelle Importeure, Lebensmittelhersteller und Großhändler in den Supermarkt und von dort zu den Kund*innen. Beide Wege haben Systeme zur Überprüfung der Einhaltung der Fair-Handels-Kriterien entwickelt und wenden diese an. Beteiligte des Fairen Handels auf allen Stufen der Handelskette sind außerdem in ein System der internationalen Zusammenarbeit eingebunden.
Integrierte Lieferkette
An der integrieren Lieferkette sind nur Akteure beteiligt, die als Fair-Handels-Organisationen ausschließlich, also zu 100 %, im Fairen Handel tätig sind und auch die eigene Organisation bzw. das eigene Unternehmen nach den Prinzipien des Fairen Handels ausrichten. Die Kriterien des Fairen Handels gelten daher auf allen Stufen der Handelskette, von der Produzent*innen-Organisation über die Vermarktungsorganisation, zur Fair-Handels-Organisation als Importeur und bis zum Weltladen. Der Faire Handel der Fair-Handels-Organisationen – und damit auch der Weltläden und ihrer Partner – beinhaltet neben dem Handel mit Produkten in einem Netzwerk alternativer Handelsstrukturen, welches die Akteure der Handelskette miteinander partnerschaftlich betreiben, auch die Bildungsarbeit und die Umsetzung politischer Kampagnen. Hier geht es auch darum, die Strukturen des Welthandels zu verändern und gerechter zu gestalten. Außerdem spielt die Transparenz des Handels für die Beteiligten auf diesem Weg eine wichtige Rolle.
Wichtige inhaltliche Grundlage sind die 10 Standards des Fairen Handels der WFTO und für die Weltläden in Deutschland die "Konvention der Weltläden", in der die Kriterien im Einzelnen beschrieben sind.
Produktzertifizierung
Am Weg der Produktzertifizierung können auch Handelsunternehmen beteiligt sein, die sowohl mit Produkten handeln, deren Rohstoffe unter den Bedingungen des Fairen Handels produziert wurden, als auch mit Produkten, die nach "konventionellen" Geschäftspraktiken gehandelt wurden. Auf diesem Weg besteht nicht der Anspruch, die gesamte Handelskette oder die beteiligten Unternehmen insgesamt nach den Fair-Handels-Kriterien auszurichten.
Als in Deutschland mit dem Fairtrade-Siegel 1992 der zweite Weg des Fairen Handels begonnen wurde, ging es darum, den Absatz fair gehandelter Produkte zu steigern, indem die Waren nun auch in ganz "normalen" Geschäften angeboten werden sollten. Dahinter steht der Gedanke, dass je mehr Produkte verkauft werden, umso mehr Produzent*innen am Fairen Handel teilhaben und davon profitieren können. Hier geht es also um eine Ausweitung des Fairen Handels innerhalb des bestehenden konventionellen Handelssystems. Unternehmen erhalten die Möglichkeit, sich auch mit einem kleinen Teil ihres Sortiments am Fairen Handel zu beteiligen. Die zugrunde liegenden Kriterien für die Herstellung, die Preise und den Handel werden von Fairtrade International produkt- und zielgruppenspezifisch erarbeitet. Die Produkte erkennt man am international gültigen Fairtrade-Siegel.
Transport und Verpackung
In beiden Wegen außen vor ist bislang der Transport und meistens auch die Verpackung (Herstellung und das Verpacken selbst). Zudem kommen in beiden Wegen bei Mischprodukten (z.B. Keksen, Schokolade etc.) Zutaten zum Einsatz, die aus Europa stammen und in der Regel nicht nach Fair-Handels-Grundsätzen gehandelt wurden (Ausnahme z.B. Naturland Fair). Fair-Handels-Organisationen achten jedoch zunehmend darauf, dass diese Rohstoffe vergleichbaren Standards genügen. Welche Verarbeiter zum Zuge kommen, ist ebenfalls sehr unterschiedlich. In der Regel suchen sich Unternehmen des Fairen Handels Verarbeiter (Rösterei, Reiferei, Schokoladenhersteller etc.) aus, die zu den hohen Qualitätsstandards des Fairen Handels passen.
Zum Weiterlesen
2020 Schaubild_Zwei Wege des Fairen Handels 2015_WL-DV_WELTLADEN 2.2015_Fairen Handel erkennen.pdf 2014_FFH_Monitoring und Zertifizierung im Fairen Handel.pdf 2014_WL-DV_espresso_Glaubwürdigkeit im Fairen Handel - Zeichen und Siegel.pdf 2013_FFH_Fairer Handel in der Wertschöpfungskette.pdf