Fairer Handel und Welthandel
Der Faire Handel hat nur einen verschwindend geringen Anteil am gesamten Welthandel. Trotzdem hat er Vorbildfunktion und ist Orientierung für andere Initiativen, weil er zeigt, dass es möglich ist, den Menschen in den Mittelpunkt des Handelns zu stellen. Wenn Staaten oder deren Zusammenschlüsse - wie z.B. die Europäische Union - Regeln für den Welthandel beschließen, dann hat das (meist negative) Auswirkungen auf Produzent*innen in den Ländern des Südens.
Doch nicht nur Staaten sind - im Vergleich z.B. zu Kleinbäuer*innen - mächtige Akteure. Auch Handelsunternehmen oder Supermarktketten spielen eine bedeutende, manchmal noch wichtigere Rolle bei der Frage, ob es im Welthandel gerecht zugeht. Aber auch, wenn Unternehmen sich, z.B. unter dem Stichwort Corporate Social Responsibility („Unternehmerische soziale Verantwortung“), einen sozialen Anstrich verpassen, lohnt der genaue Blick, wem die Anstrengung eigentlich dient und ob Produzent*innen wirklich profitieren. Vieles ist gut gemeint, nur Weniges auch gut gemacht, und auf einen Unterschied muss man immer wieder hinweisen: Es gibt (jede Menge) Sozialstandards, die Ausbeutung verhindern sollen. Der Faire Handel geht aber noch mehrere Schritte darüber hinaus, in dem er Produzent*innen als gleichberechtigte Partner*innen anerkennt und ihnen Entwicklungsmöglichkeiten bietet. Diese Entwicklungskomponente fehlt den meisten Sozialstandards.
WTO und IWF
Weltweite Wirtschaftsverhandlungen im Rahmen der WTO stehen derzeit weitestgehend still, während bilaterale und regionale Handelsverträge zwischen Einzelstaaten oder Staatengemeinschaften zunehmend an Bedeutung gewinnen. Die Liberalisierung des Welthandels schreitet auf diesem Weg weiter voran. Oft gehen bilaterale oder regionale Handelsabkommen noch über die Freihandelsregeln der WTO hinaus – in aller Regel auf Kosten der ohnehin schon benachteiligten Produzent*innen in den Ländern des Südens.
Liberalisierung bedeutet hier vor allem den Abbau von (Schutz-)Zöllen und Handelshemmnissen. Schutzzölle werden allerdings bis heute von Ländern des Globalen Südens eingesetzt, um ihre Industrien oder ihre heimische landwirtschaftliche Produktion von Lebensmitteln vor der übermächtigen Konkurrenz aus "Industrie-" und "Schwellenländern" zu schützen. Deswegen fordern sie im Rahmen der internationalen Wirtschaftsverhandlungen immer wieder, Abkommen an ihre im Wettbewerb benachteiligte Situation anzupassen. Dennoch sind sie gezwungen, vor allem ihre Agrarmärkte weiter zu öffnen. Internationale Akteure wie der Internationale Währungsfonds (IWF), aber auch die Europäische Union machen finanzielle Zusagen für die Länder des Globalen Südens abhängig von Strukturanpassungsmaßnahmen. Das bedeutet, dass verschuldete Länder nur dann neue Kredite erhalten, wenn sie sich den strukturellen Vorstellungen des IWF beugen – und dies betrifft auch den Agrarsektor.
Im November 2001 starteten die "Industrieländer" mit der so genannten „Doha-Runde“ (benannt nach dem ersten Veranstaltungsort der Konferenz in Doha/Katar) den vorerst letzten Versuch, die internationalen Wirtschaftsverhandlungen auf multilateraler Ebene fortzusetzen. Folgekonferenzen fanden 2003 in Cancún, 2005 in Hongkong, 2008 in Genf, 2013 in Bali und 2015 in Nairobi statt. Der Anspruch der Gespräche, die Interessen der Länder des Globalen Südens in den Mittelpunkt der Verhandlungen zu stellen, wird aus entwicklungspolitischer Sicht nicht ausreichend erfüllt. Transparente Handelsmaßnahmen, die neue Sektoren in Ländern des Globalen Südens unterstützen oder benachteiligte Gruppen von Produzent*innen schützen, werden nach wie vor nicht durchgesetzt. Zwar werden direkte Agrarexportsubventionen beispielsweise in der EU abgebaut, allerdings durch andere, handelsverzerrende Subventionen im Agrarsektor wieder aufgewogen, so dass sich ihre Wirkung auf Länder des Globalen Südens nicht ändert. Sie haben zu wenige Möglichkeiten, ihre kleinbäuerliche Landwirtschaft zum Zweck der Armutsbekämpfung und Ernährungssicherung zu schützen. Es gibt keine Förderung der Durchsetzung von Sozial- und Umweltstandards durch internationale Handelsbeschränkungen.
TTIP und CETA
In den letzten Jahren sorgten die Handelsabkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) zwischen der EU und der USA sowie CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) zwischen der EU und Kanada für viel Diskussion.
Das Forum Fairer Handel lehnt TTIP ab, weil es Bestrebungen hin zu einem fairen Welthandel untergräbt:
- TTIP ist ein Präferenzabkommen zulasten der Entwicklungs- und Schwellenländer: Handelsströme werden auf die USA und EU umgeleitet
- TTIP sieht neue Rechtsvorschriften vor, welche faire Beschaffung erschweren würden: TTIP schafft einen Rechtsraum, in dem Staaten für potentiellen Gewinnverlust durch soziale und ökologische Gesetzgebung von Großkonzernen verklagt werden können
- TTIP fördert intransparente Welthandelspolitik, in der eine Minderheit im Geheimen verhandelt, anstatt multilaterale Politikräume zu nutzen und zu stärken
Forderungen des Fairen Handels
2015 hat das Forum Fairer Handel acht Forderungen an die Welthandelspolitik formuliert:
- Handel soll den Menschen dienen und muss daran gemessen werden, was er zur Verwirklichung der Menschenrechte beiträgt.
- Handelsregeln müssen auf sozialen und ökologischen Mindeststandards basieren.
- Welthandelspreise müssen die wahren Produktionskosten widerspiegeln und ein menschenwürdiges Einkommen sichern.
- Entwicklungs- und Schwellenländer müssen weitreichende, national angepasste Schutz- und Unterstützungsmaßnahmen für ihre nationalen Produzenten*innen durchführen können.
- Die ökonomische Globalisierung muss politische Gestaltungsfreiheit ermöglichen.
- Globale Handelspolitik muss demokratischer und transparenter werden.
- Unternehmen und die öffentliche Hand müssen ihre soziale und ökologische Verantwortung wahrnehmen.
- Der internationale Handel muss die bäuerliche Landwirtschaft als Garant für Ernährungssicherheit fördern.
Zum Weiterlesen
2015_FFH_Forderungen des Fairen Handels an die Welthandelspolitik.pdf 2015_FFH_Warum TTIP nicht zu einem faireren Welthandel beiträgt.pdf 2015_WL-DV_WELTLADEN 3.2015_CETA und TTIP gefährden den Fairen Handel.pdf