
Interview mit Andrea Krenz von AKAR
Weltladen-Dachverband: Was sind eure Erfahrungen mit Preis- und Kostendruck? Wie gelingt es euch trotzdem fair zu handeln?
Wir importieren bei AKAR ausschließlich Kunsthandwerk. Da ist der Preisdruck sicher nicht so sehr gegeben wie bei Kleidung oder gar Nahrungsmitteln, weil es vergleichbare Produkte so meist gar nicht gibt. Aber natürlich merken auch wir die Preisgrenzen, die nicht überschritten werden dürfen, weil sie sonst nicht mehr marktfähig wären. Dadurch können wir manche aufwändig dekorierten Produkte nicht verkaufen. Oder wir müssen in Rücksprache mit den Produzentinnen Material oder Aufwand reduzieren, damit es passt.
Wichtig ist uns, dass die Produzierenden auskömmliche Löhne erhalten. Darauf drängen wir bei unseren Handelspartnern. Inzwischen haben wir einen ganz guten Überblick darüber, was die Produkte kosten sollten. Bei kleinen Produzenten-Organisationen zahlen wir einfach einen Zuschuss zum Lohn.
Wichtig ist uns, dass die Produzierenden auskömmliche Löhne erhalten. Darauf drängen wir bei unseren Handelspartnern. Inzwischen haben wir einen ganz guten Überblick darüber, was die Produkte kosten sollten. Bei kleinen Produzenten-Organisationen zahlen wir einfach einen Zuschuss zum Lohn. Viele unserer Zulieferer sind hauptsächlich im lokalen Markt unterwegs, wo sie oft nur sehr wenig verdienen – und bezahlen – können. Da sind gut bezahlte Aufträge von uns dann umso beliebter. Allerdings ändert sich das auch gerade, allmählich steigt auch auf manchen lokalen Märkten die Nachfrage nach fairem Kunsthandwerk.
Weltladen-Dachverband: Was ist deine Einschätzung: Warum gibt es überhaupt Preise unterhalb der Produktionskosten? Was sind die Erfahrungen eurer Handelspartner damit?
Ich erlebe in kleinen Werkstätten, aber auch in größeren Organisationen immer wieder, dass zu wenig auf Wirtschaftlichkeit geachtet wird. Das Hauptaugenmerk liegt darauf, Arbeit für die Produzierenden zu schaffen. Das führt dazu, dass unsere Partner immer mal wieder Artikel auf Halde produzieren, für die sie dann aber aufgrund fehlender Nachfrage später keine Abnehmer finden.
Bei Handwerk würde ich daher schon sagen, dass die Produzenten-Organisationen ihre Produkte und ihre Arbeit zu günstig anbieten. Daher ist es uns bei AKAR so wichtig, sie zu bestärken, wirklich ihre vollen Produktionskosten plus ausreichend Lohn einzuberechnen in ihre Angebote. In der Landwirtschaft sieht das sicher nochmal ganz anders aus.
Weltladen-Dachverband: Wie laufen Preisverhandlungen innerhalb eurer Handelspartnerschaften ab? Wie entstehen Preise bei euch?
Lange Jahre haben wir bei AKAR überhaupt nicht verhandelt. Der Partner nennt uns seinen Preis, wir rechnen mit unserer Formel den Endpreis aus. Wenn uns der marktfähig erscheint, dann nehmen wir den Artikel – sonst nicht. Wegen der gestiegenen Transportkosten mussten wir den Anteil, den der Einkaufspreis vom Endpreis ausmacht, senken; derzeit sind wir da bei 25%. Doch im Zuge der Debatte um Faire Löhne stellten wir fest, dass unsere Partner von selbst oft viel zu geringe Preise forderten – und da haben wir dann ordentlich nach oben korrigiert.
Gemeinsam mit den Partnern in Nepal haben wir einen angemessenen Monatslohn festgelegt und darum gebeten, auf dieser Basis die Einkaufspreise zu berechnen. Das klappt super mit den größeren, professionell wirtschaftenden Werkstätten. Da wir dadurch einen guten Überblick haben, was ein Artikel kosten sollte, legen wir da, wo uns der Preis zu niedrig erscheint, einfach etwas drauf. Wir verkaufen die Artikel zu gerundeten Endpreisen und achten darauf, passende Preisgruppen zu bilden – und vom Endpreis sollte im Schnitt 25% an den Produzenten gehen.
Der Beitrag, den wir selbst in Bangladesch leisten können ist zwar sehr klein, aber trotzdem spürbar: Bei meinem zweiten Besuch in einem Produktionszentrum sagten mir die Frauen, dass sie sich auf unseren nächsten Auftrag freuen, weil sie dann mehr Stücklohn bekommen als sonst.
Weltladen-Dachverband: Welche Rolle spielen existenzsichernde Einkommen in euren Handelsbeziehungen und in eurer Preisbildung?
Uns sind existenzsichernde Löhne sehr wichtig. Immer da, wo die Partner noch keine existenzsichernden Löhne zahlen können, zahlen wir bei unseren Einkäufen einen Extrabonus auf die geforderten Preise.
Allerdings stellt uns das schon vor Herausforderungen, denn bei vielen unserer Produzentinnen sehen wir wenig Bereitschaft, effizientere Arbeitsprozesse einzuführen. Eine Werkstattleiterin sagte mal zu mir: „Die Blumen werden viel schöner, und es geht viel schneller, wenn wir sie ausstanzen. Aber ich lasse die Frauen lieber mit der Schere schneiden, weil ich dann Arbeit für zehn habe statt für eine.“ Zum Glück schafft sie es trotzdem, gute Löhne zu zahlen, denn die Werkstatt ist groß und erfolgreich.
Wir sprechen mit allen Partnern regelmäßig über Löhne und erwarten bei neuen Partnern die Bereitschaft, daran mitzuarbeiten. In Bangladesch ist das eine große Baustelle, aber allein schon das Thema anzusprechen, bewegt manchmal etwas. Der Beitrag, den wir selbst in Bangladesch leisten können ist zwar sehr klein, aber trotzdem spürbar: Bei meinem zweiten Besuch in einem Produktionszentrum sagten mir die Frauen, dass sie sich auf unseren nächsten Auftrag freuen, weil sie dann mehr Stücklohn bekommen als sonst.
Wir haben nur das bestellt, was wir auch verkaufen konnten, und darüber hinaus manche mit Extra–Zahlungen unterstützt, denn die Partner mussten ja ihre Leute auch im Lockdown bezahlen und teilweise sogar mit Essen versorgen. Ganz großartig war dabei die Aktion #fairwertsteuer der Weltläden. Alleine hätten wir das nicht geschafft.
Weltladen-Dachverband: Wie geht ihr – im Vergleich zum konventionellen Handel – mit den Herausforderungen der Corona-Pandemie um? Welchen Unterschied macht dies für eure Handelspartner?
Im Vergleich zu dem, was ich so über den konventionellen Handel lese: Wir haben selbstverständlich keine einzige Bestellung storniert. Und wir haben die bestellten Waren selbstverständlich auch fristgerecht bezahlt, obwohl völlig klar war, dass zu der Zeit keine Lieferungen möglich waren. Natürlich haben wir 2020 insgesamt dann wesentlich weniger bestellt als sonst – aber das passte ganz gut zu den Kapazitäten unserer Partner, die wegen der Lockdowns auch wesentlich weniger produzieren konnten.
Anders als im konventionellen Handel stehen wir auch auf menschlicher Ebene in einem engen Austausch mit unseren Partnern. Gemeinsam konnten wir von dem unglaublichen Engagement der Weltläden profitieren, die unter den widrigsten Umständen ihre Pforten geöffnet und ihre Kund*innen betreut haben. So konnten wir – wenn auch weniger – trotzdem kontinuierlich ordern. Unsere Partner hatten immer Aufträge von uns und viele tatsächlich auch nur von uns.
Wir haben nur das bestellt, was wir auch verkaufen konnten, und darüber hinaus manche mit Extra–Zahlungen unterstützt, denn die Partner mussten ja ihre Leute auch im Lockdown bezahlen und teilweise sogar mit Essen versorgen. Ganz großartig war dabei die Aktion #fairwertsteuer der Weltläden. Alleine hätten wir das nicht geschafft. Zum Glück ist es mir gelungen, 2021 wieder nach Nepal zu fahren, denn für uns ist der direkte Kontakt zu den Menschen die Basis des Fairen Handels. Das Zoom-Meeting mit der Geschäftsleitung reicht da einfach nicht.


Weltladen-Dachverband: Wie könnten sich eure Handelspartnerschaften in der Zukunft weiterentwickeln?
Wir können in Nepal schon feststellen, dass wenn man einmal den Stein der fairen Löhne ins Rollen gebracht hat, sich diese auch von selbst weiterentwickeln. Diesen Weg hoffen wir auch in Bangladesch über die Jahre gehen zu können.
Jetzt steht erst einmal an, genau hinzuschauen, wie sich die Lebenskosten in den letzten zwei Jahren und auch in der jetzigen Krise verändert haben, und daran dann die Ziellöhne und dementsprechend auch die Preise anzupassen. In Nepal gibt es neuerdings Krankenversicherungen, die tatsächlich auch im Versicherungsfall zahlen, und ein Programm zu einer gesetzlichen Sozialversicherung, die möglicherweise bald auch unseren Partnern zu passenden Konditionen offensteht. Da bleiben wir natürlich dran. Manche Partner haben schon Krankenversicherungen abgeschlossen, bei kleineren arbeiten wir noch darauf hin.
In Bangladesch stehen wir wegen der zweijährigen Corona-Pause noch immer am Anfang. Da haben wir erst jetzt ein paar weitere vielversprechende Partner gefunden, mit denen wir die Zusammenarbeit gerade beginnen. Es ist ein spannendes Land, in dem mir auch immer wieder aufgezeigt wird, dass sich im Fairen Handel eben auch nicht nur alles ums Geld dreht. Besser bezahlte Arbeit gibt es nämlich in den Bekleidungsfabriken des Landes durchaus, aber viele unserer Mitarbeiterinnen können und wollen sich dem dort herrschenden Druck nicht aussetzen. Sie genießen die entspannte, sichere Atmosphäre in den Produktionszentren der Fair-Handels-Organisation, wo man sich umeinander kümmert.