
Appell an die Bundesregierung
In Deutschland beherrschen vier Supermarktkonzerne, Edeka, Rewe, die Schwarz-Gruppe, zu der Lidl und Kaufland gehören und Aldi, 85 Prozent des Lebensmittelmarktes. Ihre Marktmacht treibt Lieferanten und Beschäftigte in Lebensmittel-Lieferketten regelmäßig in wirtschaftliche Not.
Laut Befragung der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung ist jeder zweite Lieferant von unfairen Preisen betroffen – trotz des bestehenden Gesetzes gegen unfaire Handelspraxen. Die deutschen Landwirtschaftsbetriebe erhalten im Durchschnitt nur 18 Prozent Wertschöpfung in der Lebensmittelkette, während EU-Landwirtschaftsbetriebe im Durchschnitt 27 Prozent der Wertschöpfung bekommen.
Auch Produzierende außerhalb der Europäischen Union sehen im Preis- und Kostendruck ein gravierendes Problem.
Landwirtschaftsminister Özdemir soll Gesetz nachbessern
Anlässlich des Deutschen Bauerntags am 28. Juni 2023 fordert die neue Initiative faire Preise in der Lebensmittelkette von Landwirtschaftsminister Özdemir wirksame Maßnahmen, um den Kauf von Lebensmitteln unter Produktionskosten durch Supermärkte und Lebensmittelunternehmen zu verbieten.
Das bereits vor zwei Jahren verabschiedete Agrarorganisationen- und Lieferketten-Gesetz sollte die Marktmacht der Konzerne einschränken und den landwirtschaftlichen Erzeuger*innen und anderen Lieferanten den Rücken stärken. Eine nennenswerte Verbesserung trat aber nicht ein.
Daher positioniert sich die Initiative für faire Preise eindeutig: Landwirtschaftsminister Özdemir muss das Gesetz mit einem Kaufverbot unter Produktionskosten nachbessern, um endlich faire Erzeugerpreise und damit eine sozial-ökologische Transformation in der Landwirtschaft zu ermöglichen.
Die gute Nachricht: Andere Länder wie Frankreich oder Spanien haben längst eine gesetzliche Regelung für kostendeckende Bezahlungen und faire Vertragsgestaltung geschaffen. Eine Nachbesserung des Gesetzes wäre praktisch also gut möglich.
Auch die Weltläden fordern mehr Fairness für Produzierende
In der Initiative faire Preise in der Lieferkette haben sich verschiedene Akteure zusammengefunden, um auf die dramatische wirtschaftliche Situation von Produzierenden aufmerksam zu machen: Neben der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Oxfam, dem INKOTA-Netzwerk und dem Forum Fairer Handel ist auch das European Milk Board (EMB) mit dabei, das rund 100.000 Milcherzeuger*innen repräsentiert.

Als Mitglied des Forum Fairer Handel tragen auch die Weltläden diese Forderungen nach einer umfassenden und sozial gerechten Agrar- und Ernährungswende mit. Besonders wichtig sind den Fair-Handels-Akteuren dabei die Anliegen der Kleinbäuerinnen und -bauern weltweit. Denn viel zu oft leiden sie unter den ungleichen Machtverhältnissen entlang globaler Lieferketten, weil sie der großen Macht- und Verhandlungsposition der Unternehmen nichts entgegensetzen können. In der Folge müssen sie unfaire Handelspraktiken und schlechte Preise hinnehmen, mit denen sie vielfach nicht einmal ihre Produktionskosten decken können.
Obwohl der Kaffeepreis derzeit vergleichsweise hoch ist, erwirtschaften viele Kleinbäuerinnen und -bauern mit ihrem Kaffee kein existenzsicherndes Einkommen, da sie sich mit gestiegenen Produktionskosten konfrontiert sehen. Sollte der Kaffeepreis wieder derart stark einbrechen, wie es in der Vergangenheit häufig der Fall war, werden Kleinbäuerinnen und -bauern erneut in die Situation geraten, ihre Produktionskosten nicht mehr decken zu können, ihre Betriebe aufgeben oder gar migrieren zu müssen. Und all das, während die Kaffeebranche boomt und Konzerne hohe Gewinne machen.