
Interview mit Veselina Vasileva von der GEPA
Weltladen-Dachverband: Was sind eure Erfahrungen mit Preis- und Kostendruck? Wie gelingt es euch trotzdem fair zu handeln?
Veselina Vasileva: Der Preisdruck ist im konventionellen Handel systemimmanent. Durch die gestiegenen Rohstoffpreise gerade im Bereich Kaffee ist der Preisdruck sehr hoch, ebenso der Kostendruck bei unseren Verarbeitern. Die Steigerungen werden von den großen Lebenesmitteleinzelhändlern zur Kenntnis genommen, allerdings wird die Umsetzung einer Preiserhöhung kategorisch abgelehnt. Einen fairen Kompromiss zu finden, der von beiden Seiten akzeptiert wird, gestaltet sich momentan sehr schwierig.
Wir kalkulieren unsere Preise im Verkauf so, dass wir einerseits wirtschaftlich bleiben und den Produzent*innen gleichzeitig faire Preise im Einkauf zahlen. Das ist ein Spagat, denn der konventionelle Handel ist durch seine starke Marktmacht in der Lage Dumpingpreise durchzusetzen. Hier muss die GEPA oft zwischen der harten Konkurrenz im Vertrieb und den Handelspartnern abfedern. Dazu sind teilweise Mischkalkulationen erforderlich: Produkte mit höherer Handelsspanne gleichen andere Produkte aus, die durch Mitbewerber unter großem Preisdruck stehen. Beim gesamten GEPA-Sortiment streben wir existenzsichernde Einkaufspreise als Grundlage für die Kalkulation an, um ein würdiges Auskommen für unsere Handelspartner zu erreichen.
Beim gesamten GEPA-Sortiment streben wir existenzsichernde Einkaufspreise als Grundlage für die Kalkulation an, um ein würdiges Auskommen für unsere Handelspartner zu erreichen.
Weltladen-Dachverband: Was ist deine Einschätzung: Warum gibt es überhaupt Preise unterhalb der Produktionskosten? Was sind die Erfahrungen eurer Handelspartner damit?
Veselina Vasileva: Der Wettbewerbsdruck ist gerade im Lebensmitteleinzelhandel sehr stark ausgeprägt, deshalb versucht jeder Marktteilnehmer sich mit einem günstigen Preis einen Vorteil bei den Verbrauchern zu schaffen, um im Markt erfolgreich zu agieren. Das kapitalistisch ausgestaltete Wirtschaftssystem per se (Profit vor Moral, Wettbewerbsdruck) und das Machtungleichgewicht entlang der Wertschöpfungskette sowie die Machtkonzentration bieten eine Steilvorlage für Preisdumping.
Die wenigsten Handelspartner verkaufen 100% ihrer Produkte zu Fair-Handels-Konditionen. So kommt es nicht selten vor, dass bio und fair herstellte Produkte zu deutlich niedrigeren Preisen an konventionelle Händler verkauft werden müssen, um nicht auf den Produkten sitzen zu bleiben.
Ein weiterer Grund hat mit den Wirtschaftszyklen und dem Abwechseln von Angebot und Nachfrage zu tun – z.B. Überproduktion im Kaffeebereich im letzten Jahr hat die Weltmarktpreise stark nach unten gedrückt.
Negativer Nebeneffekt niedriger Weltmarktpreise: Ursache für die niedrigen Weltmarktpreise für Kaffee in den Jahren 2000 oder 2001 war vielmehr eine Überproduktion beispielsweise durch vermehrten Anbau in Vietnam, das kein klassisches Kaffeeanbaugebiet ist, aber mit Mitteln der Weltbank gefördert wurde. Die schlechten Preise führten wiederum massenweise zu schlechter Qualität, weil Produktionskosten nicht mehr gedeckt werden konnten.
Weltladen-Dachverband: Wie laufen Preisverhandlungen innerhalb eurer Handelspartnerschaften ab? Wie entstehen Preise bei euch?
Veselina Vasileva: Die GEPA vereinbart die Preise mit den Handelspartnern transparent nach den Regeln des Fairen Handels. Handelspartner, denen Erfahrungen in der Preiskalkulation oder auch beim Preisfixing im Kaffee fehlen, werden von der GEPA beraten.
Grundlage der Preiskalkulation bei z.B. Kaffee sind die Fairtrade-Kriterien. Wir gehen aber auch bisweilen über diese Kriterien hinaus; das hängt natürlich auch von der Qualität ab. Bei Kaffee zahlen wir für 100 amerikanische Pfund Bio-Arabica zurzeit zwischen 250 und 350 US-Dollar – bedingt auch durch den zurzeit sehr hohen Börsenpreis.
Die Stärke des Fairen Handels zeigt sich in Krisenzeiten. Die Corona-Krise hat noch einmal gezeigt, wie stark wir aufeinander angewiesen sind.
Weltladen-Dachverband: Welche Rolle spielen existenzsichernde Einkommen in euren Handelsbeziehungen und in eurer Preisbildung?
Veselina Vasileva: Beim gesamten GEPA-Sortiment streben wir existenzsichernde Einkaufspreise als Grundlage für die Kalkulation an, um ein würdiges Auskommen für unsere Handelspartner zu erreichen.
Bei unserem Testsieger bei ÖKO-TEST „Faires Pfund“ wurden wir auch nach existenzsichernden Löhnen bzw. Einkommen gefragt. Da haben wir geschrieben: Die GEPA ist gerade dabei, nach und nach bei ihren Lebensmittelpartnern das existenzsichernde Einkommen zu ermitteln. Da dies ein sehr aufwendiger Prozess ist und dafür sehr viele und vor allem verlässliche Primär- und Sekundärdaten hinzugezogen werden müssen, kann dies nur schrittweise erfolgen.
Die GEPA arbeitet aktiv in der Arbeitsgruppe Living Income/Wage der World Fair Trade Organization mit und ist darüber hinaus im engen Austausch zu dem Thema mit der GIZ. Zudem haben wir einige Pilotprojekte zur Berechnung einer Living Wage mit unseren Handwerks-Partnern durchgeführt. Das Ergebnis war sehr zufriedenstellend und es hat sich gezeigt, dass die GEPA bereits bei den meisten der untersuchten Produkte eine Living Wage zahlt – und oftmals auch deutlich darüber hinaus.
Weltladen-Dachverband: Wie geht ihr – im Vergleich zum konventionellen Handel – mit den Herausforderungen der Corona-Pandemie um? Welchen Unterschied macht dies für eure Handelspartner?
Veselina Vasileva: Die Stärke des Fairen Handels zeigt sich in Krisenzeiten. Die Corona-Krise hat noch einmal gezeigt, wie stark wir aufeinander angewiesen sind. Auch in derCorona-Krise hat sich unsere langjährige Partnerschaft und das partnerschaftliche Miteinander bewährt: Wir haben unsere Partner finanziell unterstützt, keine Verträge gekündigt, haben Bestellungen aufrechterhalten und Lieferverspätungen in Kauf genommen sowie Gelder des Bundesentwicklungsministeriums akquiriert. Umgekehrt haben unsere Partner alles getan, um die Lieferfähigkeit trotz der erschwerten Rahmenbedingungen aufrechtzuerhalten und nach alternativen Einkommensquellen gesucht.
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Weltladen-Dachverband: Wie könnten sich eure Handelspartnerschaften in der Zukunft weiter entwickeln?
Veselina Vasileva: Wir wollen faire Preise stärker im Fokus der Verbraucher*innen und Kund*innen verankern und kommunizieren.
Wir streben noch mehr Teilhabe der Handelspartner an und einen Ausbau der Wertschöpfung im Anbauland.
Außerdem wollen wir das Thema Klimagerechtigkeit in den Fokus nehmen. Es ist einer der vier Schwerpunkte der GEPA für die kommenden Jahre.