
Offener Brief gegen Verwässerungsversuche des EU-Lieferkettengesetzes
Seit dem 01. Januar 2023 ist das deutsche Lieferkettengesetz in Kraft. Rund 900 Unternehmen müssen nun in ihren globalen Lieferketten menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken analysieren, Gegenmaßnahmen ergreifen und das ganze gegenüber dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) dokumentieren. Die erste Prüfung wird im Sommer 2024 erfolgen, bis dahin haben die Unternehmen also Zeit, die neuen Anforderungen umzusetzen.
In diesem Jahr wird aber auch auf europäischer Ebene entschieden, ob der Schutz von Umwelt und Menschrechten in Wertschöpfungsketten gesetzlich verankert wird. Denn dort wird dieses Jahr über einen Entwurf für ein EU-Lieferkettengesetz abgestimmt.

EU-Lieferkettengesetz soll kommen
Nachdem die EU-Kommission und der EU-Rat bereits ihre Position abgegeben haben, wird aktuell im Europäischen Parlament in den verschiedenen Ausschüssen verhandelt. Voraussichtlich im Mai soll das Parlament seine Position abgeben. Danach beginnt der Trilog, also die Verhandlungen zwischen der Kommission, dem Rat und dem Parlament.
Im aktuellen Entwurf für ein EU-Lieferkettengesetz sollen Unternehmen nur dann haftbar gemacht werden, wenn sie Menschenrechte verletzen und Klimaschutzpläne nicht einhalten. Unternehmen sollen sich u.a. vor einer Strafe schützen können, wenn sie sich von anderen prüfen und zertifizieren lassen. Der Weltladen-Dachverband hat sich mit 130 weiteren Organisationen im Rahmen der Initiative Lieferkettengesetz gegen diesen Vorschlag ausgesprochen. Zertifikate sind gut, aber sie dürfen nicht von der Verantwortung freisprechen.
Eine entscheidende Rolle in der Positionierung des Europäischen Parlaments spielt der Rechtsausschuss, der am 13. März seine Position abgeben wird.
Konzernlobbygesetz, statt wirksames Lieferkettengesetz
Axel Voss (CDU/Europäische Volkspartei EVP), Schattenberichterstatter im Rechtsausschuss, und andere EU-Abgeordnete der Fraktion fordern, dass sich nicht alle Unternehmen an das Gesetz halten müssen und fordern konkret Ausnahmen für Unternehmen aus dem Finanzsektor oder Unternehmen, die ausschließlich in Europa aktiv sind. Zudem sollen Unternehmen nur die Verantwortung für direkte Geschäftspartner*innen tragen. Auch sollen laut EVP Unternehmen keine Klimapläne aufstellen müssen. Viele dieser Forderungen haben sie wortwörtlich von Lobbyisten übernommen, wie eine Recherche von misereor und dem Global Policy Forum ergab.
Die Forderungen haben die Abgeordneten zu weiten Teilen direkt aus Positionspapieren und Briefen von Wirtschaftsverbänden übernommen – teilweise sogar durch schlichtes Copy and Paste.
Mit einem offenen Brief wendet sich die Initiative Lieferkettengesetz, der der Weltladen-Dachverband angehört, an Voss und andere EU-Abgeordnete der EVP mit der Forderung, sich für ein wirksames EU-Lieferkettengesetz einzusetzen. Am 13. März gibt der Rechtsausschuss sein Votum zum Gesetzesentwurf ab, bevor am 30. Mai das EU-Parlament für eine Abstimmung zusammenkommt.
Nachhaltige Unternehmen sind krisenresistenter
Angesichts der vielen Krisen, die aktuell herrschen, braucht es stabile Lieferketten, die für die Menschen und das Klima gut sind, und sie nicht weiter schädigen. So haben laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) nachhaltige Unternehmen die Corona-Krise besser überstanden als andere.
Gemeinsam mit der Initiative Lieferkettengesetz setzen sich der Weltladen-Dachverband und die Fair-Handels-Bewegung in Deutschland für ein starkes EU-Lieferkettengesetz ein, das u.a. das Recht auf existenzsichernde Einkommen und Löhne gesetzlich verankert. Ein starkes EU-Lieferkettengesetz ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer sozial-ökologischen, zukunftsfähigen Wirtschaft.
Am 13. Mai 2023 macht die Weltladen-Bewegung am bundesweiten Weltladentag darauf aufmerksam, dass es endlich ein Lieferkettengesetz braucht, das die Produzent*innen und die Umwelt schützt.