Lichtenhagen Dorf: Fairer Handel in der Pfarrscheune
Für diese Folge unserer Reihe haben wir mit Yvonne Masuhr und Cordula Heilmann vom Weltladen Lichtenhagen Dorf bei Rostock gesprochen.
Stellt doch bitte euch und euren Laden kurz vor.
Der „Weltladen Lichtenhagen Dorf e.V.“ ist ein Weltladen in den Kirchengemeinden Lichtenhagen Dorf und Rostock Lütten Klein. Wir sind ein beweglicher, rollender Weltladen in der Pfarrscheune Lichtenhagen Dorf. Bevor wir verkaufen können, müssen wir im Foyer oder im Saal der Pfarrscheune Tische stellen und die Waren aufbauen. Wir holen unsere Waren aus dem Wandschrank. In einem fahrbaren Regalturm sind Kaffee, Kakao, Tee, Gewürze, Nüsse und Haushaltsutensilien fest gelagert. In drei roten Kästen ist Handwerkliches vom Engel bis zu Hornkämmen und in drei Holzkisten präsentieren wir das Kerzenprojekt aus Ost-Java/Indonesien vom Partner „Wax Industrie“. Im Fair Trade Point ist die Schokolade „unterwegs“ und wird mit Schokoriegeln und Snacks aus dem Wandschrank komplettiert.
Erstmals zum Gemeindefest 2017 und danach an Sonntagen nach dem Gottesdienst und bei besonderen Anlässen konnten Waren aus Fairem Handel erworben werden. Seit 2018 ist jeder letzte Sonntag im Monat nach dem Gottesdienst Verkauf. Am 29.10.2020 wurde der Verein „Weltladen Lichtenhagen Dorf e.V.“ gegründet.
Eure Gruppe ist in der Bildungsarbeit sehr engagiert. Unter anderem seid ihr seit einigen Jahren Teil des „Sommer-Cafés“ eurer Gemeinde. Was ist das genau und welche Rolle spielt ihr dabei?
In der Kirchengemeinde Lichtenhagen Dorf gibt es einen großen und sehr schönen Pfarrgarten. Seit 2014 werden dort in den Sommermonaten immer donnerstags von 14:00 Uhr bis 17:00 Uhr Kaffee, Tee und selbstgebackener Kuchen zu sehr moderaten Preisen angeboten. Ca. 90 Ehrenamtliche sind dort als Aufbau- und Abbau-Team, Kuchenbäckerinnen und Servicepersonal involviert. Mit bis zu 200 Gästen an einem Café-Tag ist der alte Pfarrgarten zu einem wichtigen Treffpunkt für das ganze Dorf und die Umgebung geworden. Da hier von Anfang an versucht wurde, fair gehandelten Kaffee, Tee oder Kakao anzubieten, waren wir als Weltladen schnell als Lieferanten gefragt. Außerdem können wir den großen Publikumsverkehr gut nutzen, um zeitgleich in der nahen Pfarrscheune unser Weltladensortiment anzubieten. Hierbei erreichen wir noch einmal ein anderes Publikum als nach den Sonntagsgottesdiensten. Mit wechselnden Warenangeboten und gelegentlich auch einer thematischen Ausstellung im Foyer der Pfarrscheune halten wir das Interesse der Café-Besucherinnen und -Besucher an unseren Angeboten und Anliegen wach.
Seit diesem Jahr seid ihr auch Mitglied im Weltladen-Dachverband. Was hat euch zur Mitgliedschaft bewogen, wo seht ihr die Vorteile?
Für viele Menschen ist die Idee des fairen Handels noch immer fremd oder zumindest befremdlich. Darum war es uns wichtig, nicht nur als Einzelgruppe wahrgenommen zu werden, sondern auch als Teil einer großen und wachsenden Bewegung. Schon durch kleine Elemente im Corporate Design gelingt es, dass Besucherinnen und Besucher unseres Ladens später in einer anderen Stadt auf einen Weltladen aufmerksam werden oder umgekehrt.
Außerdem ist für uns als junger Weltladen der Erfahrungsaustausch und die Vernetzung mit anderen Läden besonders wichtig. Dafür ist der Weltladen-Dachverband das ideale Forum.
Wie erreicht ihr die Menschen mit euren Angeboten? Und was unternehmt ihr, um neue Mitglieder zu gewinnen?
Wir setzen thematische Schwerpunkte im Kirchenjahr und im Leben der Kirchengemeinde, z.B. den Weltgebetstag am ersten Freitag im März oder Erntedank im Oktober. Dadurch wechselt unser Warenangebot.
Jedes im Laden angebotene Produkt erzählt eine Geschichte von Menschen, die dieses Produkt für uns produziert haben. Diesen Hintergrund stellen wir in den Vordergrund beim Verkauf der Ware, bei Ausstellungen, in Gottesdiensten und anderen Veranstaltungen.
Dadurch gibt es immer auch wieder Menschen, die zu uns kommen und sagen: Ich finde das interessant und wichtig, was ihr macht, und würde mich gern mit einbringen.
Wie gestaltet ihr die Sortimentsauswahl in eurem Weltladen?
Da wir unsere Produkte ständig ein- und auspacken, haben wir einen Überblick, was „gut geht“ und welche Produkte Gefahr laufen, „Ladenhüter“ zu werden. Wir können auf die Kundenwünsche eingehen, denn wir beziehen unsere Waren von der F.A.I.R.E. in Dresden. Viele Fair-Handels-Importeure sind dort im Angebot und wir können auch kleine Mengen zum Ausprobieren bestellen, was für uns und unsere Kundinnen und Kunden sehr wichtig ist. Wir können also viel ausprobieren auf engstem Raum, aber immer in Schwerpunktsetzung mit Projekten, und danach Produkte auch wieder aus dem Sortiment nehmen und nur diese auf Nachfrage bestellen. Das macht allen Mitarbeitenden Mut, die eigenen Wünsche einzubringen, zu bestellen und zu verkaufen und den Weltladen zu „ihrem“ Weltladen aktiv zu gestalten.
Die Hintergrundinformationen für die neuen Produkte müssen wir uns als Team und für unsere Kundinnen und Kunden immer wieder neu erschließen. Das gelingt uns in der Zusammenarbeit mit Ulrike Hausmann von der F.A.I.R.E. in Dresden und der Fairhandelsberaterin in Mecklenburg-Vorpommern, Laura Göpfert.
Bei der Erarbeitung der Hintergrundinformationen sehen wir gleichzeitig die Notwendigkeit und Dringlichkeit, Schritte zur weltweiten Gerechtigkeit zu leben. Daraus erwächst immer wieder unsere Motivation zum Engagement und unser kritischer, ökologischer und sozialer Blick auf unsere Gesellschaft und den Konsum, den wir betreiben.
Wir zeigen beispielhaft, wie das Thema Gerechtigkeit in der Gemeinde täglich gelebt werden kann. Denn wir wollen nicht nur verkaufen und ein- und auspacken, sondern Teil einer Bewegung sein, die die Vision von einer gerechten Welt zum Ziel hat.
Deshalb ist uns das thematische Einbringen in Gottesdiensten und in Gemeindegruppen wichtig und ebenso, bei Festen in der Kommune und im Stadtteil Lütten Klein präsent zu sein.