Weltladen Hildesheim – 50 Jahre Engagement im Fairen Handel
Stell doch bitte dich und euren Laden einmal kurz vor.
Ich heiße Richard Bruns und habe 1972 aus der kirchlichen Jugendarbeit heraus mit Gleichgesinnten die Fair-Handels-Organistion El Puente in Hildesheim gegründet. Wir haben damals durch vielfältige Aktionen Franziskanerbrüder in Paraguay bei ihren sozialen Tätigkeiten finanziell unterstützt. Bei unseren Besuchen vor Ort erwarben wir Kunsthandwerksartikel bei lokalen Produzenten, um sie dann über kirchliche Jugendgruppen in unserer Region für die Sozialprojekte zu verkaufen. Nach zwei Verkaufsaktionen fairer Produkte in Eisdielen zur Weihnachtszeit 72 und 73 in Hildesheim haben wir am 22. Juni 1974 den „Lateinamerika Markt“ als feste Verkaufsstelle eröffnet. Von Beginn an war es uns wichtig, mit dem Verkauf der fair gehandelten Produkte Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben sowie Fortbildungen im Weltladen, in Kirchengemeinden und Schulen anzubieten.
Seit 2012 betreiben wir einen schönen und hellen Laden in einer guten Lage in der Innenstadt von Hildesheim. Schaufenster und Angebot ziehen auch Laufkundschaft an. Der Laden ist so geschnitten, dass wir darin auch kleinere Veranstaltungen durchführen können.
Der Weltladen Hildesheim besteht in diesem Jahr seit fünfzig Jahren. Was macht aus deiner Sicht euren Laden aus und worauf seid ihr besonders stolz?
Den Mut gehabt zu haben, als junge Erwachsene ohne Erfahrung den ersten Weltladen Norddeutschlands nur mit Ehrenamtlichen und einer Halbtagskraft zu eröffnen und ihn dann seit einem halben Jahrhundert durch alle Höhen und Tiefen kontinuierlich zu führen. Der Weltladen ist ein Ort der Kommunikation für Vereinsmitglieder, aber auch für viele andere Bürger. Wir nutzen ihn, um die Ziele des fairen Handels öffentlichkeitswirksam zu präsentieren. Mit Veranstaltungen werben wir für verantwortungsbewussten Konsum und eine gerechte Gestaltung des Welthandels.
Als Besonderheit ist zu verzeichnen, dass wir in den frühen 70er Jahren immer mehr faire Produkte aus Lateinamerika importiert haben, die dann von neugegründeten Weltläden sowie Aktionsgruppen nachgefragt wurden, so dass El Puente immer mehr zu einer Importorganisation wurde. Aus steuerrechtlichen Gründen haben wir dann 1977 die El Puente GmbH gegründet.
Und was ist zurzeit eure größte Herausforderung?
Genügend jüngere Ehrenamtliche zu finden, die den Weltladen auch in den kommenden 50 Jahren weiterführen. Außerdem wird es immer schwieriger, in diesen Krisenzeiten wegen der Kaufzurückhaltung die Wirtschaftlichkeit des Weltladens aufrechtzuerhalten. Wir haben einen ausgezeichneten Ruf in der Stadt. Nun muss es uns gelingen, diesen Ruf auch in steigenden Umsatz zu verwandeln und dauerhaft zu stabilisieren.
Wenn du zurückschaust auf 50 Jahre Weltladen-Bewegung: Worin unterscheidet sich die Weltladen-Arbeit heute von der in der 1970er Jahren?
Vor 50 Jahren waren wir alle in einer euphorischen Stimmung, Wir wollten als junge Menschen die Welt durch die Idee des fairen Handels ein Stück menschlicher und gerechter machen. Dies ist leider nur ansatzweise gelungen. Weltladen-Arbeit erfordert heute viel mehr Ausdauer und Engagement von immer älter werdenden Ehrenamtlichen. Es gibt weitere Player im öko-fairen Markt, z.B. auch die großen Konzerne mit ihren bio- und Fair-Trade-Angeboten. Wir müssen unsere Einzigartigkeit jetzt stärker erklären. Wir kennen die Produzenten, wissen um ihre Lebenssituation. Bei uns ist der Fairhandels-Anteil in den Produkten so hoch wie möglich und wir bieten zu den Produkten auch Information und Bildung an. Unser Weltladen ist nicht nur eine Verkaufsstelle, er ist auch ein Bildungsort.
Ihr seid Gründungsmitglied des Weltladen-Dachverbandes, der 2025 ebenfalls fünfzig Jahre alt wird. Was verbindet ihr mit eurer Mitgliedschaft im Verband? Und was hat euch damals zur Gründung motiviert?
Uns war von Anfang an bewusst, dass sich nur durch gezielte Vernetzung die Idee des fairen Handels zügig verbreiten lässt. Deshalb war es logisch und selbstverständlich, im Sommer 1975 in Frankfurt mit sechs weiteren Weltläden die Arbeitsgemeinschaft Dritte Welt Läden als Vorläufer des Weltladen-Dachverbandes zu gründen. Dies war eine gemeinsame Pionierleistung, der Erfolg gibt uns recht und kann uns alle mit einem gewissen Stolz erfüllen. Doch auch nach 50 Jahren bleibt es eine große Herausforderung, die Akzeptanz des fairen Handels noch stärker im Bewusstsein der Bevölkerung zu verankern.