
Interview mit Dr. Bärbel Kofler
Was ist Ihre Aufgabe als Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung?
Als Beauftragte berate ich die Bundesregierung in Fragen der Ausgestaltung der Menschenrechtspolitik und der Humanitären Hilfe in ihren auswärtigen Beziehungen. Dazu verfolge ich politische Entwicklungen und suche dabei regelmäßig das Gespräch mit verschiedenen Ministerien und der Zivilgesellschaft in Deutschland. Ich reise regelmäßig in Länder mit bedenklicher Menschenrechtsbilanz, spreche mit vielen Menschenrechtsverteidiger*innen aus aller Welt und äußere mich immer wieder öffentlich zu menschenrechtlichen Entwicklungen und Problemen.
Welchen Bezug haben Sie zum Fairen Handel, insbesondere zu Weltläden?
In meinem bayerischen Wahlkreis unterstütze ich schon seit vielen Jahren die dortigen Weltläden und bin gerne Kundin des Fairen Handels. Wenn man bewusst durchs Leben geht, hat jede*r Verbraucher* in einen Bezug zum Fairen Handel. Denn mit unseren täglichen Kaufentscheidungen, ob bei der Banane im Supermarkt oder beim Smartphone im Online-Store, haben wir indirekt einen Einfluss darauf, wie andere Menschen leben. Die Weltläden schaffen mehr Bewusstsein bei Konsument*innen für diese Zusammenhänge. Auch deswegen begrüße ich das Engagement derer, die sich in Weltläden einbringen, sehr.
Die Einhaltung von Menschen- und Arbeitsrechten gehört von Anfang an zu den Kernprinzipien des Fairen Handels. Welchen Stellenwert hat der Faire Handel in der Politik?
Zum Glück zunehmend mehr! Wir haben momentan eine rege Diskussion in der deutschen Politik über menschenrechtliche Sorgfaltspflichten von Unternehmen. Unternehmen müssen sich ihre Lieferketten genau anschauen – und damit die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen am Anfang der Lieferkette. Fairer Handel ist dabei ein wichtiger Teil dieser Diskussion.
Wie setzen Sie sich dafür ein, dass Menschenrechte im internationalen Handel stärker geachtet werden?
Menschenrechtsfragen im internationalen Handel gehören ganz oben auf die Tagesordnung – zum Beispiel dürfen sie bei Freihandelsabkommen nicht nur Absichtserklärungen sein, sondern müssen ernsthaft angegangen werden durch klare Sanktions- und Beschwerdemöglichkeiten. Immer wieder suche ich daher persönlich das Gespräch mit Unternehmer*innen, um stärker für Menschenrechtsfragen zu sensibilisieren. Außerdem setze ich mich seit langem für ein Lieferkettengesetz ein. Wir brauchen in Deutschland eine verbindliche Regulierung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht in Lieferketten.
Sie haben das Lieferkettengesetz angesprochen. Auch die Weltladen-Bewegung fordert von der deutschen Bundesregierung eine solche gesetzliche Regelung. Welchen Beitrag können Politik und Wirtschaft leisten, um Menschenrechtsverletzungen zu verhindern bzw. rechtlich zu verfolgen?
In vielen Weltregionen und Betrieben gibt es auch im Jahr 2020 Zwangsarbeit und Ausbeutung, keine fairen Löhne und keine Arbeitssicherheit. Unternehmen haben in einer globalisierten Welt konkret Einfluss darauf, dass Menschenrechte geschützt werden und Arbeitnehmer*innen ein existenzsicherndes Einkommen ermöglicht wird. Die Politik ist gefragt, um die Rahmenbedingungen dafür klar festzulegen – eine gesetzliche Regelung in Deutschland wäre daher enorm wichtig. Und wir sollten uns darüber hinaus für einheitliche europäische Regelungen einsetzen.
Was müssten der Faire Handel und die Weltläden machen, damit deren politischen Forderungen mehr Gehör finden und diese auch umgesetzt werden?
Ich finde, Sie machen bereits eine sehr gute Arbeit! Ermuntern Sie Ihre Leser*innen dazu, sich an Aktionen zu beteiligen, suchen Sie das Gespräch mit Politiker*innen, vor allem auch mit denen, die anderer Meinung sind, und versuchen Sie sie auf Ihre Seite zu ziehen – gute Argumente gibt es ja genügend.
Was möchten Sie den Leser*innen noch mit auf den Weg geben?
Zunächst möchte ich mich bei allen Leser*innen bedanken, die sich selbst für Fairen Handel engagieren – Staaten, Unternehmen, Verbraucher*innen, alle tragen Verantwortung beim Einkauf und der Nutzung von Waren und Gütern. Auch wenn das vielleicht in Ihrem Alltag nicht immer gleich deutlich wird: Mit Ihrem Engagement, mit Ihrem bewussten Kaufverhalten tragen Sie zu verbesserten Arbeits- und Lebensbedingungen an weit entfernten Orten dieser Erde bei. Machen Sie bitte weiter so – und versuchen Sie, viele Nachahmer*innen zu finden!
Das Interview führte Nadine Busch (Weltladen-Dachverband).
ZUR PERSON
Bärbel Kofler hat Informatik, Linguistik, Russisch und Spanisch studiert und promoviert. Seit 1991 ist sie Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und seit 2004 Mitglied des Deutschen Bundestags. In der laufenden 19. Wahlperiode ist sie Mitglied des Auswärtigen Ausschusses. Zuvor war sie bis Februar 2016 Entwicklungspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion. Seit 2016 ist sie Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe. Website von Dr. Bärbel Kofler beim Auswärtigen Amt.