Daysi Mendez vom Kooperativenverband Tierra Nueva am traditionellen Trommelröster
Café Chavalo
Kundenmagazin Frühjahr 2018

Wertschöpfung im Globalen Süden: Made in Nicaragua

Autor: Jens Klein

Aufgrund der damit verbundenen Herausforderungen scheuen sich jedoch auch viele Fair-Handels-Importeure davor, Rohstoffe im Ursprungsland weiterzuverarbeiten. Wenn sie sich dauerhaft damit begnügen, Rohstoffe aus dem Süden im Norden zu verarbeiten, verfehlt die Bewegung ihr Ziel. Importeure sollten ihre Handelspartner verstärkt dabei unterstützen, die lokale Weiterverarbeitung auszubauen und somit auch auf dem heimischen Markt erfolgreich zu sein. Nur so entstehen echte Perspektiven und unabhängige Produzent*innengruppen. 

Daysi Mendez sitzt vor einem Berg an Kaffeebeuteln. Beutel befüllen, abwiegen und verschweißen: Tausendfach wiederholt die junge Frau die gleichen Arbeitsschrit­te, um den Kaffee zu verpacken, den sie gerade erst selbst für die Kund*innen in Deutschland geröstet hat. Mendez arbeitet als Kaffeesommelière und Kaffeerösterin für den Kooperativenverband Tierra Nueva in Nicaragua. Im Export roher Kaffeebohnen ist der Verband inzwischen seit 20 Jahren aktiv. Der eigene Bio-Röstkaffee hingegen konnte bis vor kurzem ausschließlich auf dem lokalen Markt abgesetzt werden. Die Partnerschaft mit der Leipziger Genossen­schaft Café Chavalo brachte Tierra Nuevas Röstkaffee 2015 zum ersten Mal auch nach Deutschland.

Aktive Wirtschaftsförderung im Süden

Mehr Wertschöpfung im Globalen Süden ist ein Thema, das den Fairen Handel vom ersten Tag an begleitet. Für jede*n Öko­nom*in ist die Sache klar: Wer nicht bloß Rohstoffe anbaut, sondern gleich deren Weiterverarbeitung übernimmt, steigert seine Erträge deutlich. Doch nicht allein der finanzielle Nutzen für die Kooperative macht den Ansatz attraktiv. Die Weiterver­arbeitung vor Ort ist in der Regel zugleich ein Förderprogramm für den ländlichen Raum in den Ländern des Südens. Um Roh­kaffee zu Röstkaffee zu veredeln, braucht es geschultes Personal, geeignete Technik und passendes Verpackungsmaterial. Jenseits der Großstädte entstehen in kleinen Städten oder gar Dörfern qualifizierte Arbeitsplätze und moderne Infrastrukturen. Das schafft Perspektiven auch jenseits landwirtschaftli­cher Tätigkeiten.

Neue Abhängigkeiten vermeiden

Der internationale Handel mag ein wichti­ges Standbein und ein wertvoller Devisen­bringer sein. Nachhaltige Entwicklung sollte jedoch nicht alleine in Abhängigkeit vom globalen Markt erfolgen. Global denken, lo­kal handeln: Was für hiesige Agenda-Prozes­se gilt, lässt sich auch auf Märkte in Latein­amerika, Afrika und Asien übertragen. Die Partnerschaft mit Fair-Handels-Akteuren aus dem Norden kann wichtiger Impulsge­ber und Katalysator sein, aber daraus sollten neue Möglichkeiten, keine neue Abhängig­keiten entstehen.

Herausforderungen annehmen

In der Praxis bringt die Weiterverarbei­tung im Süden für Produzent*innen und Importeure gleichermaßen einige Heraus­forderungen mit sich. Möglichst nachhaltige Verpackungen sind oftmals kaum oder gar nicht vor Ort zu beschaffen, behördliche Anforderungen hierzulande verkomplizie­ren die Umsetzung manchen Projekts und das Damoklesschwert Mindesthaltbarkeits­datum schwebt schon über jedem Produkt, bevor es in Deutschland angekommen ist. Eine gleichbleibende Produktqualität sicher­zustellen und die lückenlose Verfügbarkeit zu gewährleisten, wird durch die Verede­lung im Süden ebenfalls schwieriger. Denn Maschinen sind mitunter nicht auf demsel­ben technischen Stand wie in Europa. Die Importeure müssen ihren Bedarf sehr gut planen. Wenn die Verkaufszahlen über den Erwartungen liegen, lässt sich nicht kurzfris­tig nachproduzieren. Allein die Verschiffung nimmt mehrere Wochen in Anspruch und leere Regale sorgen für Unmut.

Fair-Handels-Importeure als Pioniere

Ein wenig unternehmerischen Mut braucht es also zweifellos, um sich darauf ein­zulassen, Lebens- und Genussmittel zu importieren, die im Ursprungsland weiter­verarbeitet worden sind. Einige Fair-Han­dels-Akteure beweisen diesen Mut vom ersten Tag an. Importeure wie etwa fairafric in München, Kallari-Futuro in Tübingen oder die Kaffee-Kooperative in Berlin bauen mit ihrem Geschäftskonzept vollständig auf die Vermarktung von Schokolade und Kaffee, die im Ursprungsland weiterverarbeitet wurden. Sie investieren viel Zeit in den in­tensiven Kontakt zu ihren Partner*innen im Süden. Es müssen gemeinsame Rezepturen entwickelt, Qualitätsstandards definiert und immer wieder Anpassungen vorgenommen werden.

Bei Unternehmen wie der Berliner Fairhan­delsgenossenschaft Ethiquable hat die Wei­terverarbeitung in den Ursprungsländern seit jeher einen hohen Stellenwert: Jedes fünfte Produkt im Sortiment kommt bereits fertig verpackt in Europa an. Eine Vorausset­zung dafür sind Rezepturen mit möglichst regionalen Zutaten. Denn Weiterverarbei­tung vor Ort ist nur dann sinnvoll, wenn nicht erst Kakao aus Ecuador, Ananas aus Madagaskar, Milchpulver aus dem Allgäu und Zucker aus Paraguay zusammenge­bracht werden müssen. Weniger ist mehr. Das war auch der Ansatz des Unterneh­mens Cashew for You. In einer eigenen Cashew-Manufaktur in Nigeria werden die Cashews auf offener Flamme geröstet, von Hand geknackt und im Steinofen gebacken. Inzwischen ist das Sortiment gewachsen, sodass viele Produkte andernorts veredelt werden. Doch den Kern des Unternehmens bilden nach wie vor die Cashews, die in Nigeria angebaut und weiterverarbeitet werden.

Moderne Kommunikation hilft enorm

Nun sind Cashews kein Kaffee und Nigeria ist nicht Nicaragua. Jedes Produkt und jede Region bringen natürlich andere Ausgangs­situationen und Herausforderungen mit sich. Doch die Zeit steht nicht still und im Vergleich zur Situation zu Beginn der Fair-Handels-Bewegung vor 40 Jahren sind die Ausgangsbedingungen heute ungleich besser. Allein die verbesserten Kommuni­kationsmöglichkeiten erleichtern die Arbeit erheblich. Nicht für jede Kleinigkeit ist ein Besuch vor Ort nötig. E-Mails und Video­konferenzen sorgen dafür, dass Produzent*innenorganisationen und Importeure stän­dig miteinander in Kontakt stehen können.

Chance für den Fairen Handel

Unterschiedliche Qualitätsansprüche, logis­tische Herausforderungen und rechtliche Stolperfallen lassen sich nicht negieren. Aber sie lassen sich stemmen, was an den aufgeführten Beispielen deutlich wird. Jedes einzelne Projekt ist eine kleine Erfolgsge­schichte für sich. Aus hochwertigen Zutaten können europäische Manufakturen und Fabriken erstklassige Produkte herstellen. Das beweist die Vielfalt leckerer Produk­te in den Weltläden. Nun liegt es an den Importeuren, ihr Sortiment nicht bloß mit immer neuen Produkten „Made in Europe“ auszubauen, sondern die Weiterverarbei­tung im Ursprungsland verstärkt in den Fokus zu rücken.

Gerade derzeit erleben wir ein wachsendes Interesse an Produkten mit ursprünglichem Geschmack und Zutatenlisten, die nicht gleich Plakatwände füllen. Wenn sich diese Lust am Purismus mit dem wachsenden Bewusstsein für nachhaltigen Konsum und dem Wunsch nach Informationen über die Herstellung von Lebensmitteln paart, dann erwächst daraus eine große Chance für den Fairen Handel.

Fairer Handel ist kein Zustand, sondern ein fortlaufender Prozess, der stets hinterfragt, kritisch betrachtet und immer wieder neu erfunden werden muss. Die Grundüberzeu­gungen und Kriterien sind das Mindestmaß, dem unser Handeln gerecht werden muss. Sie bilden das Fundament des Fairen Han­dels, sind aber nicht das Ende der Fahnen­stange. Vor 30 Jahren war der Import fair gehandelten Kakaos möglicherweise der einzig richtige Schritt, doch im Jahr 2018 darf es auch ruhig gleich die fertige Schoko­lade aus Afrika sein.


ZUR PERSON

Jens Klein ist Vorstand der Café Cha­valo eG. Die Leipziger Genossenschaft importiert fair gehandelte Bio-Produkte aus Nicaragua – unter anderem auch vor Ort gerösteten Kaffee. Der Kooperati­venverband Tierra Nueva ist Café Chavalos wichtigster Handelspartner und ebenfalls Mitglied der Genossen­schaft in Deutschland.
www.cafe-chavalo.de


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