Olivenöl: Palästinensische Köstlichkeit und wichtige Einkommensquelle
Durch die wirtschaftliche Stärkung der Bauernfamilien hofft Canaan, langfristig zu einer friedlichen Koexistenz von Palästinenser*innen und Israelis beizutragen.
Autorin: Jutta Ulmer
Khader Khader ist Olivenbauer. Er lebt in Palästina im 350-Seelen-Dorf Nisf Jubeil. Sein Olivenhain liegt 30 Traktorminuten außerhalb des Ortes inmitten einer bezaubernden, trocken-steinigen Hügellandschaft. So weit das Auge reicht, ist alles ockergelb-grau mit kleinen, weit verstreuten Olivenhainen. Olivenbäume werden 800 bis 1.000 Jahre alt. Sie benötigen wenig Wasser und gedeihen auf kargem Boden. Deshalb stehen im regenarmen Palästina auf etwa 80 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche Olivenbäume. Ihre Früchte sind in dem kriegsgebeutelten Land für viele Kleinbauernfamilien eine sehr wichtige Einkommensquelle.
Oliven werden direkt zu Öl weiterverarbeitet
Traditionell ist die Olivenernte Gemeinschaftsarbeit, so auch bei Khader, wo Ehefrau Ransees, Verwandte und gute Freund/innen mithelfen. Pro Baum ernten sie 50 bis 60 Kilogramm Oliven, indem sie mit Stöcken die grünen und lila Früchte von den Zweigen abklopfen. Sanft fallen diese auf große Plastikplanen, die zuvor unter den Bäumen ausgelegt wurden. Nachdem er die geernteten Oliven von kleinen Ästchen befreit und in Jutesäcke verpackt hat, bringt Khader seine Tagesernte umgehend zur Ölmühle in Nisf Jubeil. „Wenn man qualitativ hochwertiges Olivenöl herstellen möchte, müssen die Oliven noch am selben Abend weiterverarbeitet werden. Lässt man sie zu lange liegen, gären die Oliven und ihr knackiges, frisches Aroma geht verloren“, erklärt Khader. Mehrere Olivenbäuer*innen aus Nisf Jubeil teilen sich die Ölmühle. In ihr werden die angelieferten Oliven separat für jede*n Produzent*in mit kaltem Wasser gereinigt, trocken gerüttelt und samt Steinen zerkleinert, so dass eine breiige Masse entsteht. In dieser befinden sich feine Öltröpfchen. Hat der Olivenbrei im Knetwerk die entsprechende Konsistenz erreicht, kommt er in einen Dekanter, der den Brei durch Zentrifugalkraft in seine Bestandteile trennt: Feststoffe und Wasser sowie Öl, das grüngold-trüb aus der Ölmühle fließt.
Khader produziert „Natives Olivenöl Extra“
Bei Khaders Olivenöl handelt es sich um ein Olivenöl der höchsten Güteklasse, das laut EU-Verordnung als „Natives Olivenöl Extra“ bezeichnet werden darf. Das bedeutet, dass das Olivenöl ausschließlich mit mechanischen Verfahren aus Oliven gewonnen wird, es bei der Produktion eine Temperatur von 27 Grad Celsius nicht überschreitet und der Säuregehalt maximal 0,8 Prozent beträgt. Bevor es exportiert werden kann, muss Khaders Olivenöl allerdings noch in etikettierte Flaschen abgefüllt werden. Dies geschieht in der Canaan-Verarbeitungsanlage im 45 Kilometer entfernten Burqin.
Canaan exportiert für Kleinbäuer*innen
Canaan ist eine palästinensische Fair- Handels-Organisation, die vom Kulturanthropologen Dr. Nasser Abufarha gegründet wurde. Für einzelne Kleinbäuer*innen ist es in Palästina sehr schwer, Olivenöl zu einem existenzsichernden Preis direkt zu verkaufen. Zum einen ist der nationale Markt klein. Zum anderen sind Verkäufe ins Ausland kompliziert und kostspielig, weil alle palästinensischen Exporte über Israel abgewickelt werden müssen. Viele Bäuer*innen verarmen. Manche nehmen eine andere Arbeit an und geben deshalb ihre Olivenhaine auf. Um die Lebenssituation palästinensischer Bauernfamilien zu sichern und ihnen in den Wirren des Nahostkonflikts ein halbwegs normales Leben zu ermöglichen, gründete Nasser im Jahr 2004 Canaan. Er begann, die Olivenbäuer*innen zu organisieren. Inzwischen hat Canaan über 2.500 Mitglieder und in Burqin ein Firmengebäude, das modernster Technik entspricht: Hier lagert in riesigen Edelstahltanks das Olivenöl, das Bäuer*innen wie Khader im ganzen Westjordanland produzieren. Auf Bestellung wird es gefiltert, abgefüllt, etikettiert, verpackt und auf die Reise zu Handelspartnern in 20 Ländern der Welt geschickt.
Olivenbäume symbolisieren Hoffnung und Frieden
„Von Anfang an war es mir wichtig, dass die Bäuer*innen ihre Haine nachhaltig bewirtschaften und fair bezahlt werden. Wir haben die Bio-Zertifizierung für unterschiedliche Märkte und sind Fairtrade-, Fair for Life- und Naturland Fair-gesiegelt“, erzählt Nasser enthusiastisch. Mit dem Preis, den die Bäuer*-innen von Canaan für ihr Olivenöl erhalten, können sie den Lebensunterhalt für sich und ihre Familien gut bestreiten. Es bleibt etwas Geld übrig, das in Dünger, Wasser, Arbeitsgeräte oder den Hausbau investiert werden kann. Darüber hinaus leistet Canaan technische Beratung und finanziert Gemeinschaftsprojekte: So werden dieselbetriebene durch pflanzenölbetriebene Traktoren ersetzt und zerstörte Olivenhaine wieder aufgeforstet. Pro verkauftem Liter Olivenöl bezahlt Canaan einen US-Dollar an das Programm „Trees for Life“, in dessen Rahmen seit 2005 mehrere zehntausend Olivenbäume gepflanzt wurden. Sie sollen Jungbäuer*innen den Einstieg ins Berufsleben erleichtern und die palästinensische Kultur bewahren. „Von alters her ist der Olivenbaum ein Symbol für Hoffnung und Frieden. Seine Früchte gilt es, für ein gewaltfreies, selbstständiges und aufstrebendes Palästina zu nutzen“, so Nasser.
Canaan unterstützt Frauen bei Geschäftsidee
Neben den Olivenbäuer*innen profitieren auch die 40 Angestellten der Verarbeitungsanlage vom Fairen Handel: Sie erhalten einen fairen Lohn und haben einen gesunden, sicheren Arbeitsplatz. Außerdem vergibt Canaan an Bauernkinder Universitätsstipendien und an Frauen Kredite zur Realisierung einer Geschäftsidee. Von den Start-ups profitieren nicht nur die frischen Unternehmerinnen, sondern auch Canaan, dessen Produktpalette sich aufgrund der vielen Ideen seit der Anfangszeit erheblich erweitert hat. Neben Olivenöl gehören mittlerweile zum Canaan-Standardsortiment auch eingelegte Oliven, Brotaufstriche, Maftoul (palästinensischer Couscous), Mandeln und die Gewürzmischung Za’atar.
über lobOlmo
Jutta Ulmer und Michael Wolfsteiner (lobOlmo) sind freiberuflich als Fotograf*innen, Journalist*innen und Vortragsreferent*innen tätig. Ihr Arbeitsschwerpunkt ist der Faire Handel und sie sind assoziierte Mitglieder der World Fair Trade Organization (WFTO). Über ihren Besuch bei Khader und Canaan berichten sie auch in ihrer Multivisionsshow „WELTREISE zu Fair-Trade-Produzenten, Heiligtümern & Naturwundern“, die am 18.09.2019 Premiere hatte. Weitere Informationen unter www.lobOlmo.de.
die Importeure
Olivenöl und alle anderen Produkte von Canaan werden unter anderem von der Fair-Handels-Organisation WeltPartner nach Deutschland importiert. Darüber hinaus verwendet das Unternehmen Dr. Bronner‘s das fair gehandelte Bio-Olivenöl von Canaan für die Herstellung seiner Naturkosmetikartikel.