Weltladentag 2023

Mächtig FAIR...

Das deutsche Lieferkettengesetz ist seit dem 01. Januar 2023 in Kraft und die Verhandlungen über ein EU-Lieferkettengesetz laufen. Die Entscheidung des EU-Parlaments über die Richtlinie zur Regelung von unternehmerischen Sorgfaltspflichten in der Lieferkette – kurz EU-Lieferkettengesetz – steht kurz bevor. Damit stimmt das dritte und letzte Organ der Europäischen Union über den Gesetzesentwurf ab. Nach vielen Jahren stehen wir an einem Punkt, an dem die Möglichkeit besteht, dass internationale Lieferketten endlich gerechter werden und nicht mehr auf Ausbeutung basieren. Lieferketten können mächtig fair werden, wenn ein starkes Lieferkettengesetz durchgesetzt wird. Hier steht für den Weltladen-Dachverband ein Aspekt besonders im Fokus: existenzsichernde Einkommen für alle entlang der gesamten Lieferkette. 


Fallbeispiel Textilindustrie - Menschenrechtsverletzung „Made in Europe“

Viele Textilunternehmen lassen ihre Waren in osteuropäischen Ländern produzieren und werben sich damit, dass in ihren Lieferketten auf Mindestlöhne geachtet wird. Doch „Made in Europe“ ist leider schon lange keine Garantie für die Einhaltung der Qualitätsmerkmal für Menschenrechte. Es gelten zwar Mindestlöhne, doch die liegen in vielen Ländern Europas weit unter dem, was ein Mensch für ein existenzsicherndes Leben – kurz Living Wage – benötigt. Im Durchschnitt decken die Mindestlöhne osteuropäischer Länder nicht einmal ein Viertel des Living Wages ab.

Verstöße gegen Menschrechte in der Textilindustrie sind unter anderem:

  • Nichtzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen
  • Unbezahlte Überstunden
  • Rechtswidrig hohe Überstundenzahl
  • Nicht vollständig gewährter Jahresurlaub und rechtswidrige Beschränkungen bei der Inanspruchnahme von Krankheitsurlaub
  • Nichtzahlung von Abfindungen, die Arbeitnehmer*innen nach Betriebsschließungen und Entlassungen zustehen

Wer trägt die Verantwortung für die Menschenrechtsverstöße?

Eine Hauptexportnation osteuropäischer Textilware ist Deutschland bzw. Unternehmen mit Sitz in Deutschland. Werden die Kosten angehoben, wandern Unternehmen oft ab in andere Niedriglohnländer. Mit einem EU-weiten Gesetz, das existenzsichernde Löhne und Einkommen entlang der gesamten Lieferkette verpflichtet, wird der Druck von den Produzent*innen genommen und die Einhaltung von Menschenrechten endlich möglich.


Weltladen-Bewegung für starkes Lieferkettengesetz

Bereits im letzten Jahr hat der Weltladen-Dachverband darauf aufmerksam gemacht, dass Dumpingpreise, also Preise unterhalb der Produktionskosten verboten werden müssen, um Hungerlöhne zu verhindern. In diesem Jahr hat die EU die Möglichkeit, unfaire Einkaufs- und Preispolitik von Unternehmen zu verbieten und existenzsichernde Einkommen und Löhne in globalen Lieferketten gesetzlich zu verankern. Lieferketten können zumindest fairer werden, wenn ein starkes EU-Lieferkettengesetz durchgesetzt wird. Am 13. Mai 2023, dem bundesweiten Weltladentag, macht die Weltladen-Bewegung darauf aufmerksam, dass es endlich ein Lieferkettengesetz braucht, das die Produzent*innen und die Umwelt schützt.

Eine Sache, die ich für sehr wichtig halte, ist die Einführung von Überprüfungsverfahren, die auch in den Ländern vor Ort überprüft werden, um dann zusammen mit den lokalen Regierungen sicherzustellen, dass die Prinzipien wirklich für die Menschen Anwendung finden, die davon betroffen sind.

Portrait Fabiana Munhoz, Managerin Vertrieb & Marketing bei Conexsus, Brasilien Fabiana Munhoz, Managerin Vertrieb & Marketing bei Conexsus, Brasilien

Konzernlobbygesetz, statt wirksames Lieferkettengesetz

Im deutschen Lieferkettengesetz gibt es bisher noch zu viele Schlupflöcher für Unternehmen, Menschen und ihre Umwelt weiter auszubeuten. Doch statt die Schlupflöcher des deutschen Lieferkettengesetzes mit einem wirksamen EU-Lieferkettengesetz zu schließen, wird der Gesetzesentwurf für das EU-Lieferkettengesetz in den Verhandlungen immer weiter verwässert.

Im aktuellen Entwurf für ein EU-Lieferkettengesetz sollen Unternehmen nur selten haftbar gemacht werden, wenn sie Menschenrechte verletzen und Klimaschutzpläne nicht einhalten. Unternehmen sollen sich u.a. vor einer Strafe schützen können, wenn sie sich von anderen prüfen und zertifizieren lassen. Der Weltladen-Dachverband hat sich mit 130 weiteren Organisationen im Rahmen der Initiative Lieferkettengesetz gegen diesen Vorschlag ausgesprochen. Zertifikate sind gut, aber sie dürfen nicht von der Verantwortung freisprechen.

Offener Brief an Axel Voss

Axel Voss (CDU/Europäische Volkspartei EVP), Schattenberichterstatter im Rechtsausschuss,  und andere EU-Abgeordnete der Fraktion fordern, dass sich nicht alle Unternehmen an das Gesetz halten müssen, und fordern konkret Ausnahmen für Unternehmen aus dem Finanzsektor oder Unternehmen, die ausschließlich in Europa aktiv sind. Zudem sollen Unternehmen nur die Verantwortung für direkte Geschäftspartner*innen tragen. Auch sollen laut EVP Unternehmen keine Klimapläne aufstellen müssen. Viele dieser Forderungen haben sie wortwörtlich von Lobbyisten übernommen, wie eine Recherche von misereor und dem Global Policy Forum ergab.

Mit einem offenen Brief wendet sich die Initiative Lieferkettengesetz, der der Weltladen-Dachverband angehört, an Voss und andere EU-Abgeordnete der EVP mit der Forderung, sich für ein wirksames EU-Lieferkettengesetz einzusetzen. Ende März gibt der Rechtsausschuss sein Votum zum Gesetzesentwurf ab, bevor im Mai das EU-Parlament für eine Abstimmung zusammenkommt.


Gemeinsam mit der Initiative Lieferkettengesetz fordern wir ein wirksames EU-Lieferkettengesetz:

zusammengefasst von Maja Volland (Forum Fairer Handel)

  • Für die Wirksamkeit eines EU-Lieferkettengesetzes ist es wichtig, dass die Sorgfaltspflichten von Unternehmen an Risiken ausgerichtet sind (risikobasierter Ansatz) und nicht durch vordefinierte Ausnahmen beschränkt werden. Begrenzungen der Sorgfaltspflicht auf bestimmte Geschäftspartner oder Stufen in der Wertschöpfungskette bergen die Gefahr, dass Unternehmen gravierende Probleme nicht angemessen angehen. Ziel eines Lieferkettengesetzes sollte es zudem sein, präventiv Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden zu verhindern. Auch dies ist nur möglich, wenn Unternehmen verpflichtet werden, ihre gesamten Wertschöpfungsketten in den Blick zu nehmen und die Sorgfaltspflichten ohne Ausnahmen gelten.

  • Betroffene von Menschenrechtsverstößen brauchen effektiven Rechtsschutz. Das EU-Lieferkettengesetz muss mit einer zivilrechtlichen Haftungsregel – ohne die von der deutschen Bundesregierung geforderte Safe-Harbour-Regel – ermöglichen, Unternehmen vor Gerichten in der EU auf Entschädigung zu verklagen. Damit Klagen auch Aussicht auf Erfolg haben, muss das Gesetz für Betroffene den Zugang zu Recht verbessern, denn es ist derzeit sehr kompliziert und kostspielig, Gerichtsverfahren aus dem Ausland zu führen. Existierende Hürden sollten entsprechend abgebaut werden, indem unter anderem Kollektivklagen ermöglicht und Verjährungsfristen angepasst werden.

  • Viele Unternehmen schädigen mit ihren Geschäften Umwelt und Klima, etwa durch die Abholzung von Regenwäldern, durch Wasserverschmutzung und schädliche Emissionen. Ein wirksames EU-Lieferkettengesetz sollte deswegen – neben menschenrechtlichen – auch umfassende umwelt- und klimabezogene Sorgfaltspflichten aufnehmen. Da viele umweltschädigende Tatbestände noch nicht von Umwelt-Abkommen erfasst werden, sollte das Gesetz zudem eine Umwelt-Generalklausel enthalten. Diese sollte vorschreiben, dass alle relevanten Umweltgüter wie Wasser, Luft, Boden, Biodiversität oder das Klima durch Unternehmen keinen Schaden nehmen dürfen.

  • Sowohl existenzsichernde Löhne als auch existenzsichernde Einkommen, sind ein Menschenrecht. Nur Menschen, die mindestens existenzsichernde Löhne oder Einkommen erhalten oder erwirtschaften, können die Grundbedürfnisse ihres Haushalts decken. Ohne existenzsichernde Einkommen und Löhne gibt es keine wirklich nachhaltigen Lieferketten. Ein existenzsicherndes Einkommen stellt in vielen Fällen eine Grundvoraussetzung für andere Menschenrechte oder Umweltstandards dar. So können ohne ausreichendes Einkommen Kleinbäuer*innen etwa ihren Angestellten häufig keinen existenzsichernden Lohn zahlen und ihnen fehlen zudem häufig die Mittel, um in umwelt- und klimaschonende Anbaumethoden zu investieren. Ein wirksames EU-Lieferkettengesetz muss deswegen neben den im Kommissions- und Ratsentwurf enthaltenden existenzsichernden Löhnen auch existenzsichernde Einkommen als Menschenrecht benennen.

  • Unternehmen haben mit ihrer Einkaufs- und Preispolitik gegenüber ihren Lieferanten einen großen Einfluss auf Zustände in ihren Lieferketten. Ein wirksames EU-Lieferkettengesetz muss deswegen als Präventionsmaßnahme Unternehmen verpflichten, ihre eigenen Einkaufspraktiken und Beschaffungsstrategien zu untersuchen und gegebenenfalls anzupassen. Anders als im deutschen Lieferkettengesetz sieht dies weder der Kommissions- noch der Ratsentwurf vor. Dies ist nicht nur wichtig, um zu verhindern, dass Unternehmen – wie häufig der Fall – etwa durch sehr kurzfristige Lieferfristen oder Rabattforderungen den Kostendruck erhöhen und dadurch Risiken entlang der Lieferkette selber generieren oder verschärfen. Die Anpassung der eigenen Einkaufspraktiken und Beschaffungsstrategien von Unternehmen schützt auch kleine und mittlere Unternehmen und andere Akteure in Lieferketten vor einseitigen Belastungen bei der Umsetzung des EU-Lieferkettengesetzes.

  • Betroffene und potenziell betroffene Gruppen müssen bei der Umsetzung der Sorgfaltspflichten von Unternehmen gehört und berücksichtigt werden. Sie sind den Folgen der Unternehmensgeschäfte direkt ausgesetzt und haben zudem relevantes Wissen über Risiken vor Ort. Zu diesen Gruppen gehören etwa Arbeiter*innen, Kleinproduzent*innen, indigene Gemeinschaften, ihre Stellvertreter*innen und weitere sogenannte Rechteinhaber*innen . Das EU-Lieferkettengesetz muss Unternehmen verpflichten, wirksame und aussagekräftige Konsultationen von Rechteinhaber*innen bei allen Schritten der Sorgfaltspflicht vorzunehmen. Unternehmen müssen rechtzeitig Zugang zu ausreichenden Informationen für Rechteinhaber*innen gewährleisten und dabei insbesondere diskriminierte und besonders vulnerable Gruppen wie etwa Minderheiten oder Frauen berücksichtigen. Zudem sollten Unternehmen wirksame und leicht zugängliche Beschwerdemechanismen einrichten.

Nachhaltige Unternehmen sind krisenresistenter

Angesichts der vielen Krisen, die aktuell herrschen, braucht es stabile Lieferketten, die für die Menschen und das Klima gut sind, und sie nicht weiter schädigen. So haben laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) nachhaltige Unternehmen die Corona-Krise besser überstanden als andere.

Gemeinsam mit der Initative Lieferkettengesetz setzt sich der Weltladen-Dachverband und die Fair-Handels-Bewegung in Deutschland für ein starkes EU-Lieferkettengesetz ein, das u.a. das Recht auf existenzsichernde Einkommen und Löhne gesetzlich verankert. Ein starkes EU-Lieferkettengesetz ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer sozial-ökologischen, zukunftsfähigen Wirtschaft.

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Stand: 10/2022

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