Rassismuskritik am Fairen Handel
Rassismus ist über einen langen Zeitraum entstanden und spiegelt sich auch heute noch in unserem Denken, in unserer Sprache und in verwendeten Bildern wider. Rassismus prägt unseren Alltag, unabhängig davon, ob es uns bewusst ist oder nicht. Auch der Faire Handel kann aus einem rassismuskritischen Blickwinkel beleuchtet werden. Es ist aufschlussreich sich mit der Kolonialgeschichte auseinanderzusetzen, die Kritik am Fairen Handel und dessen enthaltenen Rassismus zu kennen sowie Bildungsmaterialien daraufhin zu analysieren.
Rassismus - eine Annäherung
Während der Kolonialzeit im 19. und 20. Jahrhundert benutzten die Eliten dieser Zeit wissenschaftliche Theorien, um Rassismus zu legitimieren und Menschen in den besetzten Kolonien abzuwerten und damit Versklavung, Ausbeutung, Kolonisierung und Unterdrückung zu rechtfertigen. Diese „Rassentheorien“ wurden von damalig führenden gesellschaftlichen Persönlichkeiten öffentlich vertreten und waren somit sehr einflussreich. Heute sind sie mehrfach widerlegt und gelten wissenschaftlich als unhaltbar. Es gibt keine menschlichen Rassen.
Mit Begründung der „Rassentheorie“ wurde jedoch zu dieser Zeit versucht, eine Einteilung der Menschen entsprechend ihrer „Wertigkeit“ vorzunehmen und dadurch die Verbrechen, die im Namen des Kolonialismus verübt wurden, zu legitimieren.
Anhand von vier Merkmalen lässt sich das Konstrukt Rassismus beleuchten:
- Menschen werden aufgrund von körperlichen oder sozialen Zeichen unterschieden und wahrgenommen und „kulturell“ oder „genetisch“ anders beschrieben. Dabei wird der so definierten Gruppe eine gemeinsame Mentalität unterstellt.
- Das Verhalten dieser Gruppe wird mit ihrer Kultur (Herkunft, Religion) erklärt. Das eigene Verhalten und die eigene Gruppe werden von der beschriebenen Gruppe grundsätzlich abgegrenzt, indem das eigene Verhalten als höherwertig, überlegener und „normaleres“ Verhalten dargestellt wird.
- Das Verhalten der anderen Gruppe wird als minderwertig und „nicht-normal“ abgewertet.
- Die andere Gruppe wird ausgegrenzt und in vielen Bereichen des Lebens benachteiligt. Diese ungleiche Verteilung von Macht und von Benachteiligung wird dadurch gerechtfertigt, dass sie vermeintlich „natürlich“ oder „biologisch“ sei.
Es gibt zahlreiche Wissenschaftler*innen und Autor*innen, die sich mit Rassismus beschäftigen. Es existiert eine Vielzahl an Büchern, die die Entstehung sowie historische und zeitgeschichtliche Auswirkungen des Rassismus thematisieren. Daneben gibt es Literatur, die sich mit der Frage beschäftigt, wie ein Umgang mit Rassismus im Alltag aussehen kann. In diesem Wiki-Artikel kann das Thema nur angerissen werden. Im Anhang finden sich Literaturhinweise für eine tiefere Recherche.
Kritik am Fairen Handel in Kurzfassung
Einzelne Autor*innen kritisieren den Fairen Handel unter einem postkolonialen und rassismuskritischen Blickwinkel.
- Weltläden werden zum Beispiel als „Moderne Kolonialwarenläden“ bezeichnet und als eine Art Fortführung des Verkaufs von kolonialen Luxusgütern gesehen, die sich damals wie heute nur ein ausgewählter Kund*innenkreis leisten kann.
- Zudem wird dem Fairen Handel vorgeworfen, die bestehenden (kolonialen) Abhängigkeiten durch den Export von Rohprodukten wie Kaffee, Tee und Kakao, weiter fortzuführen, anstatt die Wertschöpfung in den Produktionsländern zu steigern.
- Ebenfalls wird kritisiert, dass das Fairtrade-Siegel nur für Länder des Südens gilt – demnach also nur dort „Entwicklung“ notwendig sei.
- Eine häufig stereotype Darstellung von Produzent*innen auf Verpackungen und in Broschüren lässt die Frage aufkommen, wer die Macht hat, die Rollen zu verteilen und zum Beispiel die Bildauswahl zu treffen. Die Autor*innen dieser Kritik sehen den Anspruch von Fairness zwischen Konsument*in, Händler*in und Produzent*in nicht erfüllt.
Standpunkt des Weltladen-Dachverbandes
Der Weltladen-Dachverband sieht durch diese Kritikpunkte nicht den gesamten Fairen Handel in Frage gestellt. Jedoch gibt es Aspekte, die stärker in der eigenen Arbeit berücksichtigt und verändert werden sollen und in der Vergangenheit auch schon wurden. So haben Mitarbeitende der Geschäftsstelle aus den Arbeitsbereichen Bildung und Qualifizierung, Öffentlichkeitsarbeit und Marketing an Fortbildungen teilgenommen, die zum vorurteilssensiblen Umgang mit Bildern und Sprache schulen, sowie zum Perspektivwechsel und kritischen Betrachten der eigenen Materialien/Publikationen sensibilisieren. Ebenso trägt der Weltladen-Dachverband die Thematik über Workshops und Seminare an die Mitglieder sowie an weitere Akteure im Fairen Handel heran und regt so zur Sensibilisierung für das Thema und zu Diskussionen aus einer rassismuskritischen Sicht an. Neu erstellte (Bildungs-)Materialien sowie Publikationen werden vor Veröffentlichung regelmäßig von Expert*innen wie Mitarbeiter*innen von ebasa e.V. (einer Nichtregierungsorganisation, die unter anderem zu einem vorurteils- und kultursensiblen Umgang mit Sprache und Bildern berät) gegengelesen und die Verwendung von Bildern kritisch geprüft. Der Weltladen-Dachverband sieht sich hier in einem anhaltenden Lernprozess, der mit den bisherigen Aktivitäten noch nicht abgeschlossenen ist.
Stand: Dezember 2020
Quelle
Weltladen-Dachverband (2018): Warum wissen meine Eltern das eigentlich nicht\?
Zum Weiterlesen
Hasters, Alice (2019): Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen aber wissen sollten.
Ogette, Tupoka (2019): exit RACISM: rassismuskritisch denken lernen.
Sow, Noah (2018): Deutschland Schwarz Weiß: Der alltägliche Rassismus.
Kiesel, Timo: Armutsbekämpfung als Geschäftszweck. Fairer Handel, Entwicklungszusammenarbeit und Rassismuskritik. In: Berliner Entwicklungspolitischer Ratschlag e.V. (Hrsg.): Develop-mental Turn. Neue Beiträge zu einer rassismuskritischen entwicklungspolitischen Bildungs- und Projektarbeit. Berlin. 2013.